Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG NR. 13/01

5. April 2001

 Schlussanträge der Generalanwältin Christine Stix-Hackl in den Rechtssachen C-414/99, C-415/99, C-416/99

Zino Davidoff SA /A &G Imports Ltd, Levi Strauss & Co, Levi Strauss (UK) Ltd gegen Tesco Stores, Tesco plc und Costco Wholesale UK Ltd

GENERALANWÄLTIN STIX-HACKL SCHLÄGT VOR, BEI DER ANWENDUNG DES ERSCHÖPFUNGSGRUNDSATZES DER MARKENRICHTLINIE AUF PARALLELIMPORTE AUS DRITTSTAATEN AUCH DIE INTERESSEN DER VERKEHRSTEILNEHMER ZU BERÜCKSICHTIGEN


Die Zino Davidoff SA ist Inhaberin zweier Marken, "Cool Water" und "Davidoff Cool Water", die im Vereinigten Königreich für Toiletteartikeln und Kosmetika eingetragen sind. Die Erzeugnisse tragen Herstellungspostennummern und werden von Davidoff oder für sie sowohl inner - als auch außerhalb des EWR verkauft.

Die A & G Imports Ltd hat Bestände von Davidoff-Erzeugnissen erworben, die ursprünglich von Davidoff oder mit ihrer Zustimmung in Singapur in den Verkehr gebracht worden waren. A & G führte diese Bestände in die Gemeinschaft, und zwar nach England, ein und begann dort mit ihrem Verkauf. Das einzige Unterscheidungsmerkmal zu anderen Davidoff-Erzeugnissen war das Fehlen oder die Unkenntlichmachung der Herstellungspostennummern.

Die Levi Strauss-Gesellschaften sind Inhaberinnen der Marken "Levi's" und "501", welche im Vereinigten Königreich u.a für Jeans eingetragen sind.

Die Firmen Tesco und Costco erwarben echte Levi's 501 Jeans von Lieferanten, die solche Jeans aus Ländern außerhalb des EWR in die Gemeinschaft einführten und verkauften sie im Vereinigten Königreich. Levi Strauss hatte stets abgelehnt, diese Jeans an Tesco und Costco zu verkaufen.

Sowohl Davidoff als auch Levi Strauss haben vor dem High Court of Justice mit der Begründung geklagt, dass die Einfuhr besagter Waren in die Gemeinschaft und der dortige Verkauf eine Verletzung ihrer eingetragenen Warenzeichen darstellen.

Die Beklagten in den Ausgangsverfahren machen jeweils die Erschöpfung der Rechte aus der Marke geltend.

Der Erschöpfungsgrundsatz in der Markenrichtlinie verwehrt dem Markeninhaber das Recht, sich auf sein ausschließliches Recht aus der Marke zu berufen, wenn die mit der Marke versehenen Waren von ihm oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft (jetzt: im EWR) in den Verkehr gebracht worden sind. Dies gilt allerdings nicht, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass sich der Markeninhaber dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt.

Die Fragen des High Court of Justice an den Europäischen Gerichtshof betreffen die Voraussetzung dieser Erschöpfung, namentlich den Begriff der "Zustimmung", sowie die Auslegung des Begriffes "berechtigte Gründe".

Generalanwältin Stix-Hackl weist zunächst darauf hin, dass im bezug auf Markenrechte der Grundsatz der Erschöpfung der Markenrichtlinie auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Vereinbarkeit der Ausübung von Immaterialgüterrechten (somit auch von Markenrechten) mit dem freien Warenverkehr zurückgeht.

Die gemeinschaftsweite (jetzt EWR-weite) Erschöpfung soll entsprechend der sich aus dem Vertrag ergebenden Grundidee des Binnenmarktes verhindern, dass die Geltendmachung von Markenrechten eine Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten bewirkt.

Bei Parallelimporten aus Drittstaaten in die Gemeinschaft wird jedoch die Warenverkehrsfreiheit nicht berührt.

Bei ihrer Prüfung zur Feststellung des Inhalts des Begriffs "Zustimmung" hebt die Generalanwältin sodann hervor, dass nicht auf Begriffsbesetzungen in nationalen Rechtsordnungen abgestellt werden kann, sondern der objektive Begriffsinhalt nur durch eine autonome, gemeinschaftliche Auslegung zu erreichen ist.

Zu den aus der Marke fließenden Auschließlichkeitsrechten gehöre auch das Recht des Markeninhabers frei über die Bedingungen zu entscheiden, unter denen er sein Erzeugnis in den Verkehr bringen und den allfälligen Vertrieb steuern will.

Allerdings sei dieses Recht auf erstmalige Vertriebssteuerung im EWR, das z.B auch durch Veräußerungsverbote oder territoriale Beschränkungen des Verfügungsrechts des ersten Erwerbers ausgestaltet werden kann, nicht grenzenlos, da es schützenswerte Interessen der Importeure gäbe, die zu berücksichtigen seien.

Im Hinblick auf Paralleleinfuhren aus Drittstaaten sei es daher Sache des nationalen Gerichts zu prüfen, ob das Verhalten des Markeninhabers nach den Umständen des Einzelfalls als Verzicht auf sein Recht auf Vertriebssteuerung innerhalb des EWR gedeutet werden könne. Dabei hat das nationale Gericht bei dieser Einzelfallprüfung vom Grundsatz der EWR-weiten Erschöpfung ausgehen.

Zu den berechtigten Gründen, die es rechtfertigen, daß der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der mit der Marke versehenen Erzeugnisse widersetzt, gehören keine Handlungen Dritter oder Umstände , die die Rechte, welche den spezifischen Gegenstand des Markenrechts ausmachen, nicht berühren. Zur Frage des Fehlens oder der Unkenntlichmachung der Herstellungspostennummern meint die Generalanwältin in diesem Zusammenhang, sei es Sache des nationalen Gerichts zu prüfen, ob die Schädigung des Rufes der Marke eine entsprechende Erheblichkeit erreiche.

NB: Schlussanträge der Generalanwälte sind für den Gerichtshof nicht bindend. Die Generalanwälte haben die Aufgabe, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit eine rechtliche Lösung für die betreffende Rechtssache vorzuschlagen.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.

Dieses Dokument liegt in deutscher, englischer und französischer Sprache vor.

Wegen des vollständigen Wortlauts der Schlussanträge konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int

Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou, Tel.: (0352) 4303-3255; Fax: (352) 4303-2734.