Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG NR. 14/2001

17. Mai 2001

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-340/99

TNT Traco SpA / Poste Italiane SpA

EIN EILKURIERUNTERNEHMEN KANN UNTER BESTIMMTEN VORAUSSETZUNGEN ZUR ZAHLUNG EINER POSTGEBÜHR ZUGUNSTEN DES WIRTSCHAFTSTEILNEHMERS VERPFLICHTET WERDEN, DER MIT DEM POSTALISCHEN UNIVERSALDIENST BETRAUT WORDEN IST


Da es sich beim postalischen Universaldienst um einen Dienst von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse handelt, muss die Postgebühr einen Ausgleich der Verluste ermöglichen, die sich aus dem Betrieb dieses Dienstes ergeben können

In Italien fallen die Dienstleistungen des Einsammelns, der Beförderung und der Zustellung von Postsendungen grundsätzlich in die ausschließliche Zuständigkeit des Staates: Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bestraft (Zwanzigfaches der Frankierungsgebühr, mindestens 800 LIT). Seit 1998 bietet der Staat diesen Dienst durch eine Aktiengesellschaft, die Poste Italiane SpA, an, deren einziger Aktionär das Schatzministerium ist.

Nach der italienischen Regelung hat ein Unternehmen, das Eilkurierdienstleistungen erbringt, die nicht zum Universaldienst gehören, zugunsten des mit dem Universaldienst betrauten Wirtschaftsteilnehmers (hier: Poste Italiane) eine Postgebühr zu entrichten. Diese Postgebühr beläuft sich auf die normalerweise geschuldete Frankierungsgebühr.

Im Februar 1997 führten drei Beschäftigte der Poste Italiane bei der Zweigniederlassung Genua der TNT Traco SpA eine Prüfung durch. Nachdem sie festgestellt hatten, dass unter Verstoß gegen die Ausschließlichkeitsregelung Eilpostsendungen eingesammelt, befördert und zugestellt worden waren, verhängten sie gegen TNT Traco eine Geldstrafe von mehr als 46 Millionen LIT.

Unter Berufung auf die Grundsätze des freien Wettbewerbs im Vertrag über die Europäische Union wandte sich TNT Traco an das Tribunale civile Genua.

Das italienische Gericht hat zunächst die Poste Italiane zur Rückzahlung der 46 Millionen LIT an TNT Traco verurteilt. Es hat die Auffassung vertreten, die Aufsichts-, Kontroll- und Sanktionsbefugnis, die zuvor bei der Poste Italiane gelegen habe, sei aufgrund eines Gesetzes von 1994 auf das Ministerium für das Post- und Fernmeldewesen übergegangen.

Sodann hat es den Gerichtshof zur Vereinbarkeit der italienischen Regelung mit dem europäischen Wettbewerbsrecht befragt.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Poste Italiane ein mit besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgestattetes öffentliches Unternehmen im Sinne des EG-Vertrages sei, da sie nicht zur Zahlung einer Postgebühr in Höhe der von jedem anderen Wirtschaftsteilnehmer normalerweise geschuldeten Frankierungsgebühr verpflichtet sei. Als solches habe sie eine beherrschende Stellung in Italien inne.

Das italienische Recht schaffe eine Situation, in der das Unternehmen, das Träger besonderer oder ausschließlicher Rechte sei, notwendig zu einer missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung veranlasst werde, da es eine Vergütung für Dienstleistungen erhalte, die es nicht selbst erbracht habe.

Nach Ansicht des Gerichtshofes wird das italienische Gericht zu prüfen haben, ob diese Situation den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt (ob z. B. die Verpflichtung zur Entrichtung der streitigen Postgebühr an die Poste Italiane auch für diejenigen Wirtschaftsteilnehmer gilt, die Eilkurierdienstleistungen zwischen der Italienischen Republik und einem anderen Mitgliedstaat erbringen); in diesem Fall würde das italienische Recht gegen die gemeinschaftlichen Vorschriften über den freien Wettbewerb verstoßen.

Die Poste Italiane und die italienische Regierung haben geltend gemacht, die Verpflichtung zur Zahlung der Postgebühr sei durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, das wirtschaftliche Gleichgewicht des mit dem Betrieb des postalischen Universaldienstes betrauten Unternehmens aufrechtzuerhalten.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes kann die Gewährung besonderer oder ausschließlicher Rechte an ein Unternehmen, das mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut ist, durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sein, die Erfüllung der diesem übertragenen besonderen Aufgabe zu gewährleisten, sofern die Entwicklung des Handelsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt wird, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft.

Der Gerichtshof stellt fest, dass ein Unternehmen wie die Poste Italiane mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sei, da es den postalischen Universaldienst unabhängig von der Rentabilität des bedienten Gebietes gewährleiste.

Um einem solchen Unternehmen die Erfüllung dieser besonderen Aufgabe zu ermöglichen, könne es sich als notwendig erweisen, nicht nur die Möglichkeit eines Ausgleichs zwischen seinen rentablen und weniger rentablen Tätigkeitsbereichen, sondern auch die Verpflichtung der Erbringer von nicht zu diesem Universaldienst gehörenden Postdienstleistungen vorzusehen, eine Postgebühr zu entrichten, die zur Finanzierung dieses Universaldienstes und zu seiner Erbringung unter wirtschaftlich ausgeglichenen Bedingungen beitrage.

Das Gesamtaufkommen aus den Postgebühren, die durch alle Eilkurierdienstleistungen erbringenden Wirtschaftsteilnehmer gezahlt würden, dürfe jedoch nicht über den Betrag hinausgehen, der zum Ausgleich etwaiger Verluste des postalischen Universaldienstes notwendig sei.

Unter den gleichen Voraussetzungen hat nach Ansicht des Gerichtshofes auch das mit dem postalischen Universaldienst betraute Unternehmen die Postgebühr zu entrichten, wenn es Eilkurierdienstleistungen erbringt.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.

Dieses Dokument liegt in deutscher, englischer, französischer und italienischer Sprache vor.

Wegen des vollständigen Wortlauts des Urteils konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int.

Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou, Tel.: (00352) 4303 3255; Fax: (00352) 4303 2734.