Nach Ansicht des Generalanwalts kann sich ein polnischer Arbeitnehmer, der in einem
Mitgliedstaat rechtmäßig beschäftigt ist, in Gerichtsverfahren gegen eine Behörde auf das im
EG/Polen-Assoziationsabkommen enthaltene Verbot einer auf der Staatsangehörigkeit
beruhenden Diskriminierung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen berufen.
Das am 01.02.1994 in Kraft getretene EG/Polen-Assoziationsabkommen sieht die .Freizügigkeit
der Arbeitnehmer vor. Nach dem Abkommen darf ein polnischer Arbeitnehmer, der in einem
Mitgliedstaat rechtmäßig beschäftigt ist, hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, der Entlohnung
oder der Entlassung nicht wegen der Staatsangehörigkeit diskriminiert werden. Das Abkommen
sieht ferner vor, dass die Mitgliedstaaten ihre eigenen Rechtsvorschriften über z. B. Einreise und
Aufenthalt, Beschäftigung und Beschäftigungsbedingungen anwenden können, sofern sie dies
nicht in einer Weise tun, durch die die aus dem Abkommen fließenden Vorteile zunichte gemacht
oder verringert werden.
Nach den bis zum 24.08.1998 geltenden deutschen Rechtsvorschriften (wobei die ab 24.08.1998
geltende Neufassung nach der deutschen Rechtsprechung aber nicht auf Verträge anwendbar ist,
die vor diesem Datum geschlossen wurden und endeten) konnten Stellen für
Fremdsprachenlektoren mittels befristeter Arbeitsverträge besetzt werden, während der
Abschluss derartiger Verträge mit sonstigen Lehrkräften für besondere Aufgaben im Einzelfall
durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein mußte.
Frau Pokrzeptowicz-Meyer reichte Klage bei den deutschen Gerichten ein. Sie machte geltend,
die deutsche Rechtsvorschrift, gemäß der ihr Vertrag mit dem Land Nordrhein-Westfalen
befristet worden sei, könne nicht gerechtfertigt werden. Das Bundesarbeitsgericht ersucht den
Gerichtshof um Entscheidung über die Vereinbarkeit dieser deutschen Rechtsvorschrift mit dem
Abkommen.
Generalanwalt Jacobs hat heute seine Schlussanträge in dieser Rechtssache vorgetragen.
Die Ansicht des Generalanwalts ist für den Gerichtshof nicht bindend. Aufgabe der Generalanwälte ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit eine rechtliche Lösung für die Rechtssache vorzuschlagen, mit der sie befasst sind. |
Generalanwalt Jacobs prüft sodann die Vereinbarkeit der deutschen Rechtsvorschrift mit dem
Abkommen.
Er weist darauf hin, dass nach deutschem Recht Fremdsprachenlektoren mit befristeten
Arbeitsverträgen beschäftigt werden konnten, während andere Lehrkräfte für besondere
Aufgaben nur befristet beschäftigt werden durften, wenn dies im Einzelfall sachlich gerechtfertigt
war. Die meisten Fremdsprachenlektoren hätten aber eine andere Staatsangehörigkeit als die des
Staates, in dem sie beschäftigt seien. Folglich führe die Ungleichbehandlung nach dem deutschen
Recht zu einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit.
Das Diskriminierungsverbot des Abkommens sollte nach der Auffassung des Generalanwalts
nicht eng ausgelegt werden. Deshalb erfasse es sowohl eine mittelbare als auch eine unmittelbare
auf der Staatsangehörigkeit beruhende Diskriminierung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen.
Der Generalanwalt verweist auf die Rechtssache Spotti (C-272/92), in der der Gerichtshof
gefragt worden war, ob die aus derselben deutschen Rechtsvorschrift herrührende mittelbare
Diskriminierung im Verhältnis zwischen deutschen Staatsangehörigen und Staatsangehörigen
anderer Mitgliedstaaten gerechtfertigt sein konnte. Der Gerichtshof hat in diesem Urteil von 1993
ausgeführt, dass die Befristung der Arbeitsverträge von Fremdsprachenlektoren nicht
gerechtfertigt werden könne. Diese Argumentation sei - so der Generalanwalt - auf
Sprachlektoren polnischer Staatsangehörigkeit im Kontext des Abkommens anwendbar.
Daher ist die deutsche Rechtsvorschrift nach Ansicht des Generalanwalts nicht mit dem
Abkommen vereinbar.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.
Dieses Dokument ist in Englisch, Französisch und Deutsch verfügbar.
Wegen des vollständigen Wortlauts der Schlussanträge konsultieren Sie bitte heute ab
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