NACH ANSICHT DES GENERALANWALTS TIZZANO HAFTET DER
REISEVERMITTLER, DER EINEN PAUSCHALURLAUB VERKAUFT, BEI
NICHTERFÜLLUNG ODER MANGELHAFTER ERFÜLLUNG DES VERTRAGES
AUCH FÜR DEN IMMATERIELLEN SCHADEN, DER DEM REISENDEN DURCH
ENTGANGENE URLAUBSFREUDE ENTSTANDEN IST.
Generalanwalt Tizzano schlägt diese Antwort auf die Frage des Landesgerichts Linz (Republik
Österreich) in einer Rechtssache vor, in der es um die Auslegung der Richtlinie des Rates vom
13. Juni 1990 über Pauschalreisen geht.
Nach dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten in ihrer eigenen Gesetzgebung eine Reihe von
Maßnahmen zugunsten des Verbrauchers/Reisenden vorzusehen, einschließlich des
Schadensersatzes im Fall der Nichterfüllung des Pauschalreisevertrags; nicht geregelt ist aber,
ob auch immaterielle Schäden aufgrund verdorbenen Urlaubsgenusses ersatzfähig sind.
Der Generalanwalt, dessen Ansicht für den Gerichtshof nicht bindend ist, trägt heute seine Schlussanträge vor. Aufgabe der Generalanwälte ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit eine rechtliche Lösung für die Rechtssache vorzuschlagen, mit der sie befasst sind. |
Die Frage stellte sich konkret, als eine österreichische Familie das Unternehmen, das
Pauschalreisen veranstaltet, vor den Gerichten ihres Landes auf Ersatz der Schäden verklagte,
die sie während des Urlaubs in einem Clubdorf in der Türkei erlitten hatte. Einige Tage nach
Beginn des Aufenthalts im Dorf hatten sich nämlich bei der Tochter der Eheleute Leitner
Symptome einer Salmonellenvergiftung gezeigt, die ihre Ursache in den im Club angebotenen
Speisen hatte; diese Vergiftung hielt während des gesamten Urlaubs und auch darüber hinaus an,
wodurch der Urlaub der ganzen Familie vollständig verdorben war.
Vor dem österreichischen Gericht beantragten die Betroffenen nicht nur Ersatz des materiellen
Schadens, der ihnen zugesprochen wurde, sondern auch des Schadens aufgrund des verdorbenen
Urlaubsgenusses. Da das Landesgericht Linz jedoch Zweifel hatte, ob solche Schäden nach der
genannten Gemeinschaftsrichtlinie ersatzfähig sind, hat es die Anrufung des Gerichtshofes für
erforderlich gehalten.
Der Generalanwalt stützt die Bejahung der Frage sowohl auf den Zweck der Richtlinie, zu deren
Zielen gerade der Schutz des Verbrauchers/Reisenden gehöre, als auch auf die
Richtlinienbestimmungen selbst, die die für den Reisenden günstigste Auslegung nicht nur nicht
ausschlössen, sondern in gewisser Weise klar zu bestätigen schienen. Diese Auslegung werde
jedenfalls im Zweifelsfall auch durch die Auslegungsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts
bekräftigt sowie durch den spezifischen, unmittelbar in Artikel 95 EG verankerten Grundsatz,
wonach im Bereich des Verbraucherschutzes ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten sei.
Außerdem verbreite sich der Gedanke der Ersatzfähigkeit der Schäden wegen entgangener
Urlaubsfreude bereits in den Rechtsvorschriften und in der Rechtsprechung praktisch aller
Mitgliedstaaten, im Zusammenhang mit einer allgemeinen Tendenz zur Ausweitung der Haftung
für immaterielle Schäden. Schließlich stehe die Anerkennung des Schadens aufgrund
verdorbenen Urlaubsgenusses auch im Zusammenhang mit dem außerordentlichen Wachstum
des Tourismus und dem Umstand, dass der Urlaub nicht mehr das Privileg eines beschränkten
Kreises darstelle, sondern Konsumartikel für eine wachsende Zahl von Personen sei. Gerade weil
der Urlaub heute eine spezifische wirtschaftlich-soziale Funktion habe und für die Lebensqualität
so wichtig geworden sei, könne sein voller effektiver Genuss als solcher einen schutzwürdigen
Wert darstellen.
Dieses Dokument liegt in italienischer, deutscher, französischer, englischer und spanischer Sprache vor.
Wegen des vollständigen Wortlauts der Schlussanträge konsultieren Sie bitte heute ab
ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int .
Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou, |