PRESSEMITTEILUNG N. 47/01
Die Entlassung einer Arbeitnehmerin wegen ihrer Schwangerschaft stellt - gleichgültig, ob
ihr Arbeitsvertrag auf bestimmte oder auf unbestimmte Zeit geschlossen ist - eine
unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar
Im Juni 1998 wurde Frau Jiménez Melgar von der Gemeinde Los Barrios (Spanien) für die Dauer
von drei Monaten eingestellt. Ihr Vertrag wurde zweimal, zuletzt bis zum 2. Mai 1999, erneuert.
Am 3. Mai 1999 unterschrieb Frau Jiménez Melgar einen vierten befristeten
Teilzeitarbeitsvertrag. Ebenso wie die früheren Verträge enthielt auch dieser Vertrag kein
Ablaufdatum. Am 12. Mai 1999 erhielt Frau Jiménez Melgar jedoch ein Schreiben der
Gemeinde, mit dem ihr die Beendigung des Vertrages zum 2. Juni 1999 mitgeteilt wurde.
In der Zwischenzeit war die Gemeinde von der Schwangerschaft von Frau Jiménez Melgar in
Kenntnis gesetzt worden. Das Kind wurde am 16. September 1999 geboren.
Frau Jiménez Melgar war der Ansicht, dass ihr in diskriminierender Weise und unter Verletzung
ihrer Grundrechte gekündigt worden sei. Sie erhob daher eine Klage gegen die Gemeinde Los
Barrios beim zuständigen Gericht.
Rechtssache C-109/00
Im Juni 1995 wurde Frau Brandt-Nielsen von der Tele Danmark für einen Zeitraum von sechs
Monaten ab 1. Juli 1995 eingestellt.
Im August 1995 teilte Frau Brandt-Nielsen der Tele Danmark mit, dass sie schwanger sei und
voraussichtlich Anfang November entbinden werde. Am 23. August 1995 wurde ihr mit Wirkung
zum 30. September mit der Begründung gekündigt, sie habe die Tele Danmark bei ihrer
Einstellung nicht über ihre Schwangerschaft unterrichtet.
Frau Brandt-Nielsen verklagte Tele Danmark beim zuständigen Gericht auf Zahlung von
Schadensersatz mit der Begründung, ihre Entlassung verstoße gegen das dänische
Gleichbehandlungsgesetz.
Das Gericht wies die Klage mit der Begründung ab, Frau Brandt-Nielsen, die für einen Zeitraum
von sechs Monaten eingestellt worden sei, habe beim Einstellungsgespräch nicht angegeben, dass
sie schwanger sei, obwohl die Entbindung im fünften Monat des Beschäftigungsverhältnisses zu
erwarten gewesen sei.
Das Gericht, bei dem Frau Brandt-Nielsen Berufung einlegt hatte, gab ihr mit der Begründung
Recht, es stehe fest, dass ihre Entlassung mit ihrer Schwangerschaft zusammenhänge.
Tele Danmark focht dieses Urteil an und machte geltend, dass das gemeinschaftsrechtliche
Verbot der Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin nicht für eine befristet eingestellte
Arbeitnehmerin gelte, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses von ihrer Schwangerschaft
gewusst, den Arbeitgeber jedoch nicht darüber unterrichtet habe, und die die Arbeit, für die sie
eingestellt worden sei, wegen des Mutterschaftsurlaubs während eines erheblichen Teils der
vertraglich vorgesehenen Arbeitszeit nicht würde verrichten können.
Die beiden Gerichte fragen den Gerichtshof nach der Tragweite und der Auslegung der
Gemeinschaftsvorschriften bezüglich des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und
Frauen auf dem Gebiet der Beschäftigung, nach denen die Mitgliedstaaten die erforderlichen
Maßnahmen treffen müssen, um die Kündigung von Arbeitnehmerinnen während der Zeit vom
Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs - außer in nicht mit ihrem
Zustand in Zusammenhang stehenden Ausnahmefällen - zu verbieten.
In der Rechtssache Jiménez Melgar weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass die fragliche
Vorschrift den Mitgliedstaaten insbesondere auch in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber genaue
Verpflichtungen auferlege, die ihnen bei ihrer Erfüllung keinen Gestaltungsspielraum beließen.
Habe ein Mitgliedstaat innerhalb der vorgeschriebenen Frist keine Umsetzungsmaßnahmen
getroffen (wie das bei Spanien der Fall sei), verleihe die Vorschrift dem Einzelnen Rechte, die
dieser vor einem nationalen Gericht gegenüber den öffentlichen Stellen dieses Staates geltend
machen könne.
Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass das Kündigungsverbot in den gemeinschaftsrechtlichen
Bestimmungen, die keine Unterscheidung nach der Dauer des fraglichen Arbeitsverhältnisses
träfen, sowohl für befristete als auch für unbefristete Arbeitsverträge gelte.
Die Nichterneuerung eines befristeten Arbeitsvertrags zum Zeitpunkt seiner regulären
Beendigung könne jedoch nicht einer Kündigung gleichgestellt werden und verstoße als solche
nicht gegen das Gemeinschaftsrecht.
Unter bestimmten Umständen könne die Nichterneuerung eines befristeten Vertrages aber als
Einstellungsverweigerung angesehen werden. So stelle die Weigerung, eine für die betreffende
Tätigkeit für geeignet gehaltene Arbeitnehmerin einzustellen, weil sie schwanger sei, eine
unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar. Das nationale Gericht habe zu
prüfen, ob die Nichterneuerung des Arbeitsvertrags von Frau Jiménez Melgar nicht tatsächlich
ihren Grund in ihrer Schwangerschaft gehabt habe.
In der Rechtssache Brandt-Nielsen macht der betroffene Arbeitgeber geltend, das
gemeinschaftsrechtliche Verbot der Kündigung schwangerer Arbeitnehmerinnen gelte im
vorliegenden Fall nicht. In Wirklichkeit sei der entscheidende Grund für die Entlassung nicht die
Schwangerschaft selbst, sondern die Tatsache, dass Frau Brandt-Nielsen einen wesentlichen Teil
der Vertragsleistung nicht würde erbringen können. Außerdem stelle der Umstand, dass sie den
Arbeitgeber nicht von ihrem Zustand unterrichtet habe, obwohl sie gewusst habe, dass sie ihre
Tätigkeit wegen ihrer Schwangerschaft während eines wesentlichen Teils desBeschäftigungsverhältnisses nicht würde ausüben können, eine Verletzung der Treuepflicht dar,
die für die Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestimmend sei. Deshalb
rechtfertige allein schon dieser Umstand eine Entlassung.
Der Gerichtshof weist darauf hin, dass er bereits entschieden habe, dass die Verweigerung einer
Einstellung wegen Schwangerschaft nicht mit dem finanziellen Nachteil gerechtfertigt werden
könne, den der Arbeitgeber im Fall der Einstellung einer Schwangeren während deren
Mutterschaftsurlaubs oder dadurch erleiden würde, dass die Arbeitnehmerin während der Dauer
ihrer Schwangerschaft nicht auf dem betreffenden Arbeitsplatz beschäftigt werden dürfe.
Wenn nämlich die Entlassung einer Arbeitnehmerin wegen ihrer Schwangerschaft eine
unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstelle, und zwar unabhängig von der
Art und dem Umfang des wirtschaftlichen Schadens, der dem Arbeitgeber durch die
schwangerschaftsbedingte Fehlzeit entstehe, sei es für die Beurteilung der Frage, ob die
Entlassung diskriminierenden Charakter habe, unerheblich, ob der Arbeitsvertrag auf bestimmte
oder unbestimmte Zeit geschlossen worden sei. In beiden Fällen beruhe die Unfähigkeit der
Arbeitnehmerin, den Arbeitsvertrag zu erfüllen, auf der Schwangerschaft.
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Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou, |