PRESSEMITTEILUNG N. 53/01
25. Oktober 2001
Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-475/99
Firma Ambulanz Glöckner / Landkreis Südwestpfalz
DER GERICHTSHOF NIMMT ZU DEM QUASI-MONOPOL STELLUNG, ÜBER
DAS DIE SANITÄTSORGANISATIONEN IN RHEINLAND-PFALZ FÜR DIE
BEFÖRDERUNG VON KRANKEN PERSONEN IN KRANKENWAGEN
VERFÜGEN
Die im Allgemeininteresse liegende Aufgabe, mit der die Sanitätsorganisationen nach dem
Rettungsdienstgesetz betraut sind, kann eine Beschränkung des Wettbewerbs in einem
geographisch begrenztem Gebiet rechtfertigen, wenn diese Beschränkung erforderlich ist, um
die Aufgabe unter wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen zu erfüllen
Die beiden mit der Durchführung des Rettungsdienstes und des Krankentransports betrauten
Sanitätsorganisationen (Deutsches Rotes Kreuz und Arbeiter-Samariter-Bund) sprachen sich auf
Anfrage des Landkreises gegen die Erteilung der Genehmigung aus mit der Begründung, ihre
eigenen Rettungseinrichtungen in dem fraglichen Gebiet seien nicht ausgelastet und arbeiteten
defizitär, so dass sie beim Hinzutreten eines weiteren Anbieters gezwungen seien, entweder die
Benutzungsentgelte zu erhöhen oder ihre Leistungen zu verringern.
Der Landkreis lehnte daraufhin die Verlängerung ab.
Das mit dem Rechtsstreit zwischen der Firma Ambulanz Glöckner und dem Landkreis befasste
nationale Gericht fragt den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, ob die Einräumung
eines Monopols auf dem Gebiet des Krankentransports für einen abgegrenzten geographischen
Bereich mit den Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft vereinbar ist.
Der Gerichtshof führt zunächst aus, die mit dem Rettungsdienstgesetz betrauten
Sanitätsorganisationen, denen die Leistungen des Notfalltransports vorbehalten seien, seien
Unternehmen, die den Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft unterlägen. Ihnen sei
aufgrund des Schutzes, der ihnen für die Durchführung des (Notfall- oder sonstigen)
Krankentransports gewährt werde, ein besonderes oder ausschließliches Recht eingeräumt;dadurch könne die Fähigkeit anderer Unternehmen zur Durchführung dieser wirtschaftlichen
Tätigkeit beeinträchtigt werden.
Es sei Sache des vorlegenden deutschen Gerichts, festzustellen, ob ein Missbrauch einer
beherrschenden Stellung vorliege. Sollte das bejaht werden, so beträfe der Mißbrauch .einen
wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes (ein Gebiet von 20 000 km2 mit etwa vier
Millionen Einwohnern, also einer größeren Bevölkerungszahl als einige Mitgliedstaaten) und
beeinträchtigte die Benutzer der Krankentransporte. Ferner sei es Sache des vorlegenden
Gerichts, zu prüfen, ob Unternehmer in anderen Mitgliedstaaten tatsächlich daran gehindert sein
könnten, in Deutschland Krankentransport zu betreiben oder sich dort niederzulassen.
Der Gerichtshof prüft, ob dieser mögliche Missbrauch einer beherrschenden Stellung nach dem
EG-Vertrag durch das Vorliegen einer Dienstleistungsaufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem
Interesse gerechtfertigt sein könnte.
Die Sanitätsorganisationen seien mit einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem
Interesse betraut, nämlich ohne Rücksicht auf besondere Situationen oder die Wirtschaftlichkeit
des konkreten Einsatzes den Notfalltransport von kranken oder verletzten Personen
flächendeckend zu jeder Zeit, zu einheitlichen Benutzungsentgelten und bei gleicher Qualität
sicherzustellen.
In diesem Rahmen könnten Beschränkungen oder Ausschlüsse des Wettbewerbs zulässig sein,
wenn sie zur Erfüllung der übertragenen besonderen Aufgabe erforderlich seien.
Es gebe nämlich einen Ausgleichsbedarf für die Kosten des Notfalltransports durch die
Einnahmen aus dem nicht durch Notfall veranlassten Krankentransport, der lukrativer sei. So
werde in den beiden Bereichen eine wirtschaftliche Ausgewogenheit erreicht.
Das deutsche Gericht werde also zu prüfen haben, ob die Einschränkung des Wettbewerbs beim
nicht durch Notfall veranlassten Krankentransport erforderlich sei, damit die
Sanitätsorganisationen ihre Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (in allen
Situationen Tag und Nacht) unter wirtschaftlich tragbaren Bedingungen erfüllen könnte.
Zudem müsse festgestellt werden, dass die Sanitätsorganisationen, sofern sie eine
beherrschende Stellung innehaben sollten, in der Lage seien, nicht nur den Rettungsdienst,
sondern auch den Krankentransport wirksam sicherzustellen. Ansonsten müsse es
unabhängigen Unternehmern gestattet sein, tätig zu werden.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.
Dieses Dokument ist in Deutsch, Englisch und Französisch verfügbar.
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