Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG N. 53/01

25. Oktober 2001

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-475/99

Firma Ambulanz Glöckner / Landkreis Südwestpfalz

DER GERICHTSHOF NIMMT ZU DEM QUASI-MONOPOL STELLUNG, ÜBER DAS DIE SANITÄTSORGANISATIONEN IN RHEINLAND-PFALZ FÜR DIE BEFÖRDERUNG VON KRANKEN PERSONEN IN KRANKENWAGEN VERFÜGEN

Die im Allgemeininteresse liegende Aufgabe, mit der die Sanitätsorganisationen nach dem Rettungsdienstgesetz betraut sind, kann eine Beschränkung des Wettbewerbs in einem geographisch begrenztem Gebiet rechtfertigen, wenn diese Beschränkung erforderlich ist, um die Aufgabe unter wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen zu erfüllen


        Der Firma Ambulanz Glöckner war im Jahr 1990 eine Krankentransportgenehmigung erteilt worden, die im Oktober 1994 ablief. Im Juli 1994 beantragte sie beim Landkreis eine Verlängerung der Genehmigung. Die zuständige Behörde kann nach dem rheinland-pfälzischen Rettungsdienstgesetz von 1991 diese Genehmigung versagen, wenn aufgrund ihres Gebrauchs mit einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit des wie im Gesetz vorgesehen den Sanitätsorganisationen übertragenen Rettungsdienstes zu rechnen ist.

        Die beiden mit der Durchführung des Rettungsdienstes und des Krankentransports betrauten Sanitätsorganisationen (Deutsches Rotes Kreuz und Arbeiter-Samariter-Bund) sprachen sich auf Anfrage des Landkreises gegen die Erteilung der Genehmigung aus mit der Begründung, ihre eigenen Rettungseinrichtungen in dem fraglichen Gebiet seien nicht ausgelastet und arbeiteten defizitär, so dass sie beim Hinzutreten eines weiteren Anbieters gezwungen seien, entweder die Benutzungsentgelte zu erhöhen oder ihre Leistungen zu verringern.

Der Landkreis lehnte daraufhin die Verlängerung ab.

        Das mit dem Rechtsstreit zwischen der Firma Ambulanz Glöckner und dem Landkreis befasste nationale Gericht fragt den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, ob die Einräumung eines Monopols auf dem Gebiet des Krankentransports für einen abgegrenzten geographischen Bereich mit den Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft vereinbar ist.

        Der Gerichtshof führt zunächst aus, die mit dem Rettungsdienstgesetz betrauten Sanitätsorganisationen, denen die Leistungen des Notfalltransports vorbehalten seien, seien Unternehmen, die den Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft unterlägen. Ihnen sei aufgrund des Schutzes, der ihnen für die Durchführung des (Notfall- oder sonstigen) Krankentransports gewährt werde, ein besonderes oder ausschließliches Recht eingeräumt;dadurch könne die Fähigkeit anderer Unternehmen zur Durchführung dieser wirtschaftlichen Tätigkeit beeinträchtigt werden.

        Es sei Sache des vorlegenden deutschen Gerichts, festzustellen, ob ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung vorliege. Sollte das bejaht werden, so beträfe der Mißbrauch .einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes“ (ein Gebiet von 20 000 km2 mit etwa vier Millionen Einwohnern, also einer größeren Bevölkerungszahl als einige Mitgliedstaaten) und beeinträchtigte die Benutzer der Krankentransporte. Ferner sei es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob Unternehmer in anderen Mitgliedstaaten tatsächlich daran gehindert sein könnten, in Deutschland Krankentransport zu betreiben oder sich dort niederzulassen.

        Der Gerichtshof prüft, ob dieser mögliche Missbrauch einer beherrschenden Stellung nach dem EG-Vertrag durch das Vorliegen einer Dienstleistungsaufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse gerechtfertigt sein könnte.

        Die Sanitätsorganisationen seien mit einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut, nämlich ohne Rücksicht auf besondere Situationen oder die Wirtschaftlichkeit des konkreten Einsatzes den Notfalltransport von kranken oder verletzten Personen flächendeckend zu jeder Zeit, zu einheitlichen Benutzungsentgelten und bei gleicher Qualität sicherzustellen.

        In diesem Rahmen könnten Beschränkungen oder Ausschlüsse des Wettbewerbs zulässig sein, wenn sie zur Erfüllung der übertragenen besonderen Aufgabe erforderlich seien.

        Es gebe nämlich einen Ausgleichsbedarf für die Kosten des Notfalltransports durch die Einnahmen aus dem nicht durch Notfall veranlassten Krankentransport, der lukrativer sei. So werde in den beiden Bereichen eine wirtschaftliche Ausgewogenheit erreicht.

Das deutsche Gericht werde also zu prüfen haben, ob die Einschränkung des Wettbewerbs beim nicht durch Notfall veranlassten Krankentransport erforderlich sei, damit die Sanitätsorganisationen ihre Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (in allen Situationen Tag und Nacht) unter wirtschaftlich tragbaren Bedingungen erfüllen könnte.

        Zudem müsse festgestellt werden, dass die Sanitätsorganisationen, sofern sie eine beherrschende Stellung innehaben sollten, in der Lage seien, nicht nur den Rettungsdienst, sondern auch den Krankentransport wirksam sicherzustellen. Ansonsten müsse es unabhängigen Unternehmern gestattet sein, tätig zu werden.


Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.

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