PRESSEMITTEILUNG N. 58/01
DIE ZUSTIMMUNG DES INHABERS EINER MARKE ZUM VERTRIEB IM EWR
VON WAREN, DIE AUßERHALB DES EWR IN DEN VERKEHR GEBRACHT
WORDEN SIND, MUSS MIT BESTIMMTHEIT ZUM AUSDRUCK GEBRACHT
WERDEN, SEI ES AUSDRÜCKLICH ODER KONKLUDENT. DIES IST NICHT
DER FALL BEI EINEM BLOßEN SCHWEIGEN DES MARKENINHABERS.
A & G Imports übernahm Bestände von Erzeugnissen, die ursprünglich von Davidoff oder mit
ihrer Zustimmung in Singapur in den Verkehr gebracht worden waren. A & G führte diese
Bestände in die Gemeinschaft (hier in das Vereinigte Königreich) ein, wo sie mit ihrem Verkauf
begann. Diese Erzeugnisse unterscheiden sich von anderen Erzeugnissen der Marke Davidoff nur
durch die Entfernung oder Unkenntlichmachung der Identifikationsnummern.
Die Gesellschaften Levi Strauss sind Inhaberinnen der Marken .Levi's und .501, die im
Vereinigten Königreich u. a. für Jeans eingetragen sind.
Tesco und Costco erwarben echte Levi's 501 Jeans von Lieferanten, die sie aus Ländern
außerhalb des EWR in die Gemeinschaft eingeführt hatten, und verkauften sie im Vereinigten
Königreich. Levi Strauss hatte sich stets geweigert, solche Jeans an Tesco und Costco zu
verkaufen.
Davidoff und Levi Strauss haben Verfahren beim britischen High Court of Justice mit der
Begründung anhängig gemacht, dass die Einfuhr und der Verkauf dieser Waren in der
Gemeinschaft eine Verletzung der Rechte darstellten, die ihnen aufgrund der Eintragung ihrer
Marken zustünden.
In den drei Rechtssachen berufen sich A & G Imports sowie Tesco und Costco auf die
Erschöpfung der Rechte aus der Marke.
Im Gemeinschaftsrecht untersagt es der in der Markenrichtlinie vorgesehene Grundsatz der
Erschöpfung dem Markeninhaber, sich auf das ausschließliche Recht aus dieser Marke zuberufen, wenn die damit versehenen Waren vom Inhaber oder mit seiner Zustimmung in der
Gemeinschaft (seit dem EWR-Abkommen: im EWR) in den Verkehr gebracht worden sind.
Mit den Fragen, die der High Court of Justice dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
vorgelegt hat, sollen in erster Linie die Voraussetzungen für diese Erschöpfung und insbesondere
der Begriff der Zustimmung geklärt werden. Ihre Bedeutung hat fünf Regierungen (die deutsche,
die französische, die italienische, die finnische und die schwedische Regierung) dazu veranlasst,
Erklärungen abzugeben.
Der Gerichtshof verweist zunächst auf die Wirkung der Richtlinie im Allgemeinen. Die
Richtlinie beschränke die Erschöpfung des dem Markeninhaber gewährten Rechts auf die Fälle,
in denen die Waren im EWR in den Verkehr gebracht worden seien, und gestatte es dem Inhaber,
seine Waren außerhalb dieses Gebietes zu vertreiben, ohne dass dieser Vertrieb seine Rechte
innerhalb des EWR erschöpfe. Ferner ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die Richtlinie
durch die Klarstellung, dass das Inverkehrbringen außerhalb des EWR nicht das Recht des
Inhabers erschöpfe, sich der ohne seine Zustimmung unternommenen Einfuhr dieser Waren zu
widersetzen, dem Markeninhaber gestatte, das erste Inverkehrbringen der mit der Marke
versehenen Waren im EWR zu kontrollieren.
Der Gerichtshof prüft ferner, wie die Zustimmung des Markeninhabers zu einem
Inverkehrbringen im EWR zum Ausdruck kommen muss; muss die Zustimmung ausdrücklich
erfolgen oder kann sie konkludent sein?
Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass die Zustimmung, die einem Verzicht des Inhabers auf sein
ausschließliches Recht gleichkomme, Dritten zu verbieten, mit seiner Marke versehene Waren
einzuführen, das entscheidende Element für das Erlöschen dieses Rechts darstelle. Es sei
Sache des Gerichtshofes, den Begriff der Zustimmung zu einem Inverkehrbringen im EWR
einheitlich auszulegen, um einen unterschiedlichen Schutz je nach dem nationalen Recht der
Mitgliedstaaten zu vermeiden.
Angesichts der Bedeutung der Wirkung - Erlöschen des ausschließlichen Rechts des
Markeninhabers - müsse die Zustimmung auf eine Weise geäußert werden, die einen Willen zum
Verzicht auf dieses Recht mit Bestimmtheit erkennen lasse. Dieser Wille ergebe sich in der
Regel aus einer ausdrücklichen Erteilung der Zustimmung. In bestimmten Fällen könne
er sich jedoch konkludent aus Anhaltspunkten und Umständen vor, bei oder nach dem
Inverkehrbringen außerhalb des EWR ergeben, die einen eindeutigen Verzicht des
Inhabers auf sein Recht erkennen ließen.
Der Gerichtshof prüft schließlich die Möglichkeit einer konkludenten Zustimmung aufgrund des
bloßen Schweigens des Markeninhabers.
Der Gerichtshof stellt fest, dass die Zustimmung positiven Ausdruck gefunden haben müsse; die
Anhaltspunkte, die für die Feststellung des Vorliegens einer konkludenten Zustimmung
berücksichtigt würden, müssten einen Verzicht des Markeninhabers darauf, sich auf sein
ausschließliches Recht zu berufen, mit Bestimmtheit erkennen lassen. Demzufolge obliege es
nicht dem Markeninhaber, die fehlende Zustimmung nachzuweisen, sondern vielmehr dem
Wirtschaftsteilnehmer, der sich auf das Vorliegen einer Zustimmung berufe, den Beweis dafür
zu erbringen.
Eine konkludente Zustimmung zu einem Vertrieb im EWR von Waren, die außerhalb dieses Gebietes in den Verkehr gebracht worden seien, könne sich nicht aus dem bloßen Schweigen des Markeninhabers ergeben. Ferner könne sich eine konkludente Zustimmung nicht daraus ergeben, dass das Eigentum an den mit der Marke versehenen Waren ohne vertragliche Beschränkungen übertragen worden sei, dass der Markeninhaber über seinen Widerspruch gegen einen Vertrieb im EWR nicht unterrichtet habe oder dass ein Verbot des Inverkehrbringens im EWR auf den Waren nicht angegeben sei.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.
Dieses Dokument ist in allen Amtssprachen verfügbar.
Wegen des vollständigen Wortlauts des Urteils konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr
15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int .
Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou,
Aufnahmen von der Sitzung sind verfügbar bei "Europe by Satellite" |