6. Dezember 2001
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Spanien und Kommission der
Europäischen Gemeinschaften gegen Italien
NICHT ÜBERALL, WO SCHOKOLADE DRAUFSTEHT, IST NUR
KAKAOBUTTER DRIN
Generalanwalt Alber schlägt dem Gerichtshof der EG
vor, Spanien und Italien wegen Verletzung des EG-Vertrags zu verurteilen, weil sie verboten
haben, Schokoladeerzeugnisse, die neben Kakaobutter auch andere pflanzliche Fette
enthalten, unter der Bezeichnung Schokolade in den Verkehr zu bringen.
Die Europäische Kommission sieht in den italienischen und spanischen Bestimmungen eine
gemeinschaftsrechtswidrige Behinderung des freien Warenverkehrs und beantragt die
Feststellung der Verletzung des EG-Vertrags.
Herr Generalanwalt Siegbert Alber trägt heute seine Schlussanträge vor.
Die Ansicht des Generalanwalts ist für den Gerichtshof nicht bindend. Aufgabe der Generalanwälte ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit eine rechtliche Lösung für die Rechtssache vorzuschlagen, mit der sie befasst sind. |
Der Generalanwalt führt aus, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der EG die
Mitgliedstaaten zwar befugt seien, nur teilweise harmonisierte Sachverhalte zu regeln, diesenationalen Regelungen allerdings mit den Bestimmungen des freien Warenverkehrs im EG-
Vertrag vereinbar sein müßten.
Die italienische und die spanische Regelung zwingen die in anderen Mitgliedstaaten
niedergelassenen Hersteller, die Zusammensetzung ihrer in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig
unter der Bezeichnung Schokolade hergestellten Produkte zu ändern, wenn sie sie in Italien und
Spanien unter der Bezeichnung Schokolade vertreiben wollen. Nach Ansicht des
Generalanwalts beschränken diese beiden nationalen Regelungen damit den Zugang der in
anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellten Waren zum spanischen und italienischen Markt
und behindern folglich ihren freien Verkehr in der Gemeinschaft.
Dass solche Produkte mit der Bezeichnung Schokoladeersatz vermarktet werden können,
ändere daran nichts, da die Möglichkeit bestehe, dass der Verbraucher solche Produkte nicht für
vollwertig betrachte und sie geringer schätze als Produkte mit der Aufschrift Schokolade.
Der Generalanwalt verneint eine Rechtfertigung der Behinderung des freien
Warenverkehrs durch den von Italien und Spanien angeführten Verbraucherschutz. Zwar seien
das Verbot der Vermarktung unter der Bezeichnung Schokolade und die Möglichkeit, diese
Produkte als Schokoladeersatz zu vertreiben, geeignet, die spanischen und italienischen
Verbraucher vor einem Irrtum zu bewahren. Das Verbot sei aber nicht das mildeste Mittel zur
Aufklärung dieser Verbraucher darüber, dass das Produkt noch andere pflanzliche Fette als
Kakaobutter beinhalte. Der Gerichtshof habe in ähnlich gelagerten Fällen, die die
Zusammensetzung des Erzeugnisses betrafen, eine Etikettierung zur Wahrung der Interessen des
Verbrauchers für ausreichend erachtet.
Dabei habe der Gerichtshof stets auf einen verständigen Verbraucher abgestellt, dem eine
eigenständige Information zugemutet und zugetraut werden könne. So sei davon auszugehen,
dass Verbraucher, die sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung der Erzeugnisse
richteten, zunächst das Zutatenverzeichnis lesen.
Der Generalanwalt weist allerdings darauf hin, dass der Gerichtshof die Grenze dessen, was
durch eine entsprechende Etikettierung geleistet werden kann, dort gezogen habe, wo das
entsprechende Erzeugnis in einem Punkt geändert wurde, der für seine Zusammensetzung
wesentlich sei. Dies könnte ein Verbot der Bezeichnungsverwendung rechtfertigen.
Nach Ansicht des Generalanwalts ist die Kakaobutter als wesentlicher Bestandteil der
Schokolade im Sinne der erwähnten Gemeinschaftsrichtlinie von 1973 anzusehen. Die
Erzeugnisse, deren Vermarkung unter der Bezeichung Schokolade in Italien und Spanien
verboten seien, respektierten aber die in der Richtlinie vorgeschriebenen Mindestgehalte an
Kakaobutter. Der Generalanwalt ist deshalb der Meinung, dass das Hinzufügen anderer
pflanzlicher Fette in Höhe von bis zu 5 % nicht zu einer wesentlichen Veränderung der
Zusammensetzung dieses Produkts führe .
So kommt der Generalanwalt zu dem Ergebnis, dass eine entsprechende - hinreichend deutliche -
Etikettierung des Produkts weniger in den freien Warenverkehr eingreife. Insofern seien die
spanische und die italienische Regelung unverhältnismäßig und daher nicht geeignet, die
festgestellte Beschränkung des freien Warenverkehrs zu rechtfertigen.
Es sei nochmals darauf hinzuweisen, dass diese Fälle nach der Richtlinie von 1973 zu
entscheiden seien, in der nicht geregelt sei, inwieweit Erzeugnisse, die neben Kakaobutter noch
andere pflanzliche Fette enthielten, unter der Bezeichnung Schokolade vermarktet werden
dürften, es hingegen in der Richtlinie von 2000, (die erst ab 2003 anzuwenden ist,) eine
Regelung gebe, die das Hinzufügen anderer pflanzlicher Fette in Höhe von bis zu 5 % zulasse.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.
Dieses Dokument liegt in allen Amtssprachen vor.
Wegen des vollständigen Wortlauts der Schlussanträge konsultieren Sie bitte heute ab
ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int
Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou, |