Abteilung Presse und Information


PRESSEMITTEILUNG N. 66/01


13. Dezember 2001

Urteil in der Rechtssache C-481/99

G. und H. Heininger / Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG

EIN VERBRAUCHER, DER EINEN KREDITVERTRAG IM RAHMEN EINES HAUSTÜRGESCHÄFTS SCHLIESST UND NICHT ÜBER SEIN WIDERRUFSRECHT BELEHRT WIRD, VERLIERT DIESES RECHT NICHT

Der Gerichtshof entscheidet, dass das Widerrufsrecht auch für als Haustürgeschäft geschlossene Realkreditverträge gelten kann.

Die Eheleute Heininger, beide deutsche Staatsangehörige, behaupten, von einem Immobilienmakler, der sie 1993 aus eigener Initiative zu Hause aufgesucht habe, überredet worden zu sein, eine Wohnung zu erwerben und zu deren Finanzierung ein grundpfandrechtlich abgesichertes Darlehen bei der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank aufzunehmen (Realkreditvertrag).

Mit der Begründung, dass ihnen ihr Widerrufsrecht nicht bekannt gewesen sei, reichten sie fünf Jahre später Klage ein, um sich von diesem Realkreditvertrag zu lösen. Sie stützen sich auf die Gemeinschaftsrichtlinie “betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen” (nachfolgend: Haustürgeschäfterichtlinie) und verlangen von der Bank die Rückzahlung der geleisteten Beträge. Ihre Klage wurde abgewiesen.

Der im letzten Rechtszug angerufene Bundesgerichtshof ist der Ansicht, dass dieser Rechtsstreit ein Problem der Auslegung des Gemeinschaftsrechts aufwerfe. Er möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Haustürgeschäfterichtlinie auf einen Realkreditvertrag wie den im Ausgangsverfahren fraglichen anwendbar ist. Die Richtlinie schließt .Verträge über den Bau, den Verkauf und die Miete von Immobilien sowie Verträge über andere Rechte an Immobilien“ ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich aus.

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass nur die im Rahmen eines Haustürgeschäfts geschlossenen Realkreditverträge in den Anwendungsbereich der Haustürgeschäfterichtlinie fallen.

Dann führt er aus, dass ein Realkreditvertrag nicht deshalb als ein Vertrag über ein Recht an einer Immobilie im Sinne des von der Haustürgeschäfterichtlinie vorgesehenen Ausschlusses angesehen werden könne, weil er grundpfandrechtlich abgesichert sei. Der Schutz, der dem Verbraucher gewährt werde, der einen solchen Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Gewerbetreibenden geschlossen habe, werde nicht dadurch entbehrlicher, dass der Kreditvertrag durch ein Grundpfandrecht abgesichert werde.


Ferner wird der Gerichtshof nach der Befristung des Widerrufsrechts auf ein Jahr nach Vertragsschluss befragt, die das deutsche Recht für den Fall vorsieht, dass der Verbraucher nicht über das Widerrufsrecht belehrt worden ist. Der Bundesgerichtshof möchte wissen, ob diese Frist gegen die Hautürgeschäfterichtlinie verstößt.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass der Gewerbetreibende den Verbraucher schriftlich über sein Recht zu belehren hat, den Vertrag innerhalb einer Frist .von mindestens sieben Tagen“ nach dem Zeitpunkt zu widerrufen, zu dem ihm die Belehrung erteilt wurde. Wenn der Gewerbetreibende aber seiner Obliegenheit zur Belehrung des Verbrauchers nicht nachkomme, so müsse der Verbraucher erst recht geschützt werden. Der Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, dass in diesem Fall eine Befristung des Widerrufsrechts nach nationalem Recht mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist.

Ferner entscheidet der Gerichtshof, die zeitlichen Wirkungen des Urteils nicht zu beschränken.


Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.

Dieses Dokument ist in Französisch, Deutsch und Italienisch verfügbar.

Wegen des vollständigen Wortlauts des Urteils konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int .

Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou,
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