Abteilung Presse und Information

     PRESSEMITTEILUNG N. 67/01

13. Dezember 2001

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-79/00

Telefónica de España SA gegen Administración General del Estado

DIE SPANISCHE REGELUNG ÜBER DIE ZUSAMMENSCHALTUNG UND DEN ZUGANG ZU ÖFFENTLICHEN NETZEN SOWIE DIE NUMMERIERUNG IST GEMEINSCHAFTSRECHTSKONFORM

Die Mitgliedstaaten können Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht verpflichten, anderen Betreibern Zugang zum Teilnehmeranschluss zu gewähren sowie eine Zusammenschaltung in den örtlichen Vermittlungsstellen und den Vermittlungsstellen auf höherer Ebene anzubieten

In dem Rechtsstreit zwischen der Telefónica de España SA, einem Unternehmen, das zur Bereitstellung von Telekommunikationsdiensten berechtigt ist, und der Administración General del Estado geht es um die Frage, ob die Königliche Verordnung, mit der die Gemeinschaftsrichtlinie über die Zusammenschaltung in der Telekommunikation in das spanische Recht umgesetzt wurde, mit dieser Richtlinie im Einklang steht.

Der gemeinschaftsrechtliche Rahmen im Bereich der Telekommunikation besteht im Wesentlichen aus Liberalisierungsrichtlinien und Harmonisierungsrichtlinien. Die Letzteren betreffen die Harmonisierung der Bedingungen für den offenen und effizienten Zugang zu öffentlichen Telekommunikationsnetzen und -diensten sowie die Harmonisierung der Bedingungen für deren offene und effiziente Benutzung. Diese Richtlinien bilden den Rahmen für die Sicherstellung eines Universaldienstes in einem Umfeld von offenen, wettbewerbsorientierten Märkten. Die dem Verfahren zugrunde liegende Richtlinie ist das Schlüsselelement dieses Rahmens.

Telefónica hielt verschiedene Bestimmungen der spanischen Königlichen Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie für rechtswidrig, da die spanische Regierung ihre Regelungsbefugnisse überschritten habe. Die Gesellschaft erhob daher vor dem Tribunal Supremo Klage auf Nichtigerklärung dieser Bestimmungen.

Mit seiner Vorabentscheidungsfrage möchte das Tribunal Supremo vom Gerichtshof im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie den Mitgliedstaaten den Erlass von Bestimmungen erlaubt, durch die Betreiber von öffentlichen Telekommunikationsnetzen, die über beträchtliche Marktmacht verfügen, verpflichtet werden,
- Zugang zum Teilnehmeranschluss zu gewähren und
- eine Zusammenschaltung in den örtlichen Vermittlungsstellen und den Vermittlungsstellen auf höherer Ebene anzubieten.

Telefónica hat geltend gemacht, die Richtlinie gestatte es den nationalen Regulierungsbehörden nicht, einem Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht Vorabverpflichtungen hinsichtlich des Netzzugangs und der Zusammenschaltung an bestimmten Punkten des Netzes aufzuerlegen. Die nationalen Behörden dürften nach der Richtlinie lediglich darauf hinwirken, dass diese Frage in den zwischen den verschiedenen Betreibern ausgehandelten Vereinbarungen abgedeckt werde. Die Bedingungen für die Zusammenschaltung seien also durch den Willen der Parteien festzulegen.

Die spanische Regierung hat sich dagegen auf den Standpunkt gestellt, die Gemeinschaftsbestimmungen gestatteten den nationalen Behörden, Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht zu verpflichten, die Zusammenschaltung in den örtlichen Vermittlungsstellen und den Vermittlungsstellen auf höherer Ebene anzubieten. Wenn ein Mitgliedstaat der Auffassung sei, der Markt sei nicht vollständig wettbewerbsorientiert und das Interesse der Benutzer werde nicht gewahrt, weil ein Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht die Zusammenschaltung auf bestimmten Netzebenen ablehne, dann könne er diesem Betreiber vorschreiben, die entsprechende Zusammenschaltung anzubieten.

Der Gerichtshof untersucht in seinem Urteil zunächst die Zielsetzung der Richtlinie. Diese solle die Zusammenschaltung von Telekommunikationsnetzen, die Interoperabilität von Diensten und die Bereitstellung eines Universaldienstes in einem Umfeld von offenen, wettbewerbsorientierten Märkten sicherstellen.

Diese Ziele sollten nach der Richtlinie in erster Linie durch eine kommerzielle Aushandlung zwischen den Betreibern erreicht werden, die Telekommunikationsleistungen anböten. Den Mitgliedstaaten sei es jedoch auch gestattet, die Freiheit der Betreiber beim Abschluss von Zusammenschaltungsvereinbarungen zu beschränken, um sicherzustellen, dass die Ziele der Richtlinie erreicht würden.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen untersucht der Gerichtshof sodann die streitigen Bestimmungen der Richtlinie, insbesondere die Vorschrift, nach der Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht "allen begründeten Anträgen auf Netzzugang" stattzugeben haben. Dass diese Betreiber nur verpflichtet seien, "begründeten" Anträgen auf Zusammenschaltung zu entsprechen, bedeute nicht, dass es den Mitgliedstaaten durch diese Bestimmung untersagt wäre, solchen Betreibern Vorabbedingungen oder -verpflichtungen hinsichtlich des Zugangs aufzuerlegen.

Die nationalen Behörden müssten zwar nach der Richtlinie darauf hinwirken, dass bestimmte Punkte, wie beispielsweise die Standorte der Zusammenschaltungspunkte, in den Zusammenschaltungsvereinbarungen abgedeckt würden. Nach Auffassung des Gerichtshofes stünde es jedoch nicht im Einklang mit dem Zweck der Richtlinie, den Mitgliedstaaten die Festlegung von Vorabbedingungen oder -verpflichtungen in Bezug auf diese Punkte zu verbieten, insbesondere wenn die Wettbewerbsbedingungen oder das Interesse der Benutzer eine solche Festlegung erforderlich machten.

Im Ergebnis antwortet der Gerichtshof dem Tribunal Supremo, dass die Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, den nationalen Regulierungsbehörden zu gestatten, einen Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht vorab zu verpflichten, anderen Betreibern Zugang zum Teilnehmeranschluss zu gewähren sowie eine Zusammenschaltung in den örtlichen Vermittlungsstellen und den Vermittlungsstellen auf höherer Ebene anzubieten.


Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument,
das den Gerichtshof nicht bindet.

Dieses Dokument liegt in Französisch, Englisch, Deutsch und Spanisch vor.

Wegen des vollständigen Wortlauts des Urteils konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int 

Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou,
Tel.: (0 03 52) 43 03 - 32 55; Fax: (0 03 52) 43 03 - 27 34.