DIE SICH AUS EINEM BILATERALEN ABKOMMEN ZWISCHEN EINEM MITGLIEDSTAAT
UND EINEM DRITTSTAAT ERGEBENDEN VORTEILE MÜSSEN GRUNDSÄTZLICH AUCH
DEN ARBEITNEHMERN ANDERER MITGLIEDSTAATEN, DIE NICHT AN DEM ABKOMMEN BETEILIGT
SIND, GEWÄHRT WERDEN.
Frau Gottardo, von Geburt Italienerin, verzichtete nach ihrer Heirat mit einem
Franzosen auf die italienische Staatsangehörigkeit zugunsten der französischen.
Sie arbeitete als Lehrerin in Italien, in der Schweiz und in Frankreich und
entrichtete in diesen drei Staaten Sozialversicherungsbeiträge (für
100, 252 bzw. 429 Wochen Beschäftigungszeit). Sie bezieht eine schweizerische
und eine französische Altersrente.
Ihrem Wunsch, eine Altersrente in Italien zu erlangen, konnte dagegen nicht
entsprochen werden, da sie, selbst wenn die italienischen Behörden die
in Frankreich zurückgelegten Versicherungszeiten berücksichtigen würden,
aufgrund der Zusammenrechnung der italienischen und der französischen Zeiten
nicht die in der italienischen Regelung verlangte Mindestbeitragszeit erreichen
würde. Sie hätte die italienische Altersrente beanspruchen können,
wenn auch die schweizerischen Beiträge nach dem Grundsatz der Zusammenrechnung,
der im italienisch-schweizerischen Abkommen über Soziale Sicherheit von
1962 niedergelegt ist, bei der Gesamtberechnung ihrer Beiträge berücksichtigt
würden.
Der Antrag, den sie 1996 in Italien gestellt hatte, wurde aber vom INPS allein
deshalb abgelehnt, weil sie französische Staatsangehörige sei und
somit das italienisch-schweizerische Abkommen auf sie keine Anwendung finde.
Frau Gottardo erhob daraufhin Klage beim Tribunale ordinario Rom und machte
geltend, dass das INPS ihr, da sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats
sei, unter den gleichen Voraussetzungen wie den eigenen Staatsangehörigen
einen Rentenanspruch zuerkennen müsse.
Nach Auffassung des Gerichtshofes handelt es sich somit um eine unterschiedliche
Behandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Er erinnert ferner daran,
dass die Mitgliedstaaten bei derDurchführung der Vereinbarungen, die sie
aufgrund von internationalen Abkommen eingegangen seien, die Verpflichtungen
aus dem Gemeinschaftsrecht beachten müssten.
Wenn also ein Mitgliedstaat mit einem Drittstaat ein bilaterales Abkommen
über die soziale Sicherheit abschließe, das die Berücksichtigung
der in dem Drittstaat zurückgelegten Versicherungszeiten für den Erwerb
des Anspruchs auf Leistungen bei Alter vorsehe, zwinge der fundamentale
Grundsatz der Gleichbehandlung diesen Mitgliedstaat, den Staatsangehörigen
der anderen Mitgliedstaaten, die nicht an dem Abkommen beteiligt seien, die
gleichen Vorteile zu gewähren, die auch seinen eigenen Staatsangehörigen
aufgrund des Abkommens zustünden. Der Mitgliedstaat, der das Abkommen
unterzeichnet habe, könne seine Weigerung jedoch auf objektive Gründe
stützen.
Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass eine mögliche Erhöhung der
finanziellen Lasten und administrative Schwierigkeiten die Nichtbeachtung der
sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen nicht rechtfertigen könnten.
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