Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG N. 101/02

12. Dezember 2002

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-209/00

Kommission der Europäischen Gemeinschaften/ Bundesrepublik Deutschland


Der Gerichtshof stellt fest, dass Deutschland die Entscheidung der Kommission, mit der die Rückforderung staatlicher Beihilfen an die WestLB angeordnet wurde, nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat

Deutschland hat nicht nachgewiesen, dass die in den Jahren 1999 und 2000 mitgeteilten Maßnahmen geeignet waren, den durch die Beihilfen verfälschten Wettbewerb
unverzüglich wiederherzustellen


Mit Gesetz vom 18. Dezember 1991 übertrug das Land Nordrhein-Westfalen seine Wohnungsbauförderungsanstalt (WfA), eine vollständig dem Land gehörende öffentlich-rechtliche Anstalt mit dem Zweck der Förderung des Wohnungsbaus, auf die Westdeutsche Landesbank Girozentrale (WestLB), ebenfalls eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Für das übertragene Kapital sollte das Land ein Entgelt in Höhe von 0,6 % jährlich nach Steuer erhalten.

Der Bundesverband deutscher Banken übermittelte der Kommission mehrere Beschwerden, mit denen gerügt wurde, dass die Übertragung der WfA gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße. Mit Entscheidung vom 8. Juli 1999 stellte die Kommission fest, dass diese Übertragung eine rechtswidrige und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe sei, und ordnete zugleich deren Rückforderung an. Die Kommission beanstandete, dass die dem Land als Gegenleistung für die Übertragung der WfA gewährte Vergütung unzureichend sei. Für die Zeit von 1992 bis 1998 belaufe sich die Differenz zwischen einer Vergütung, die dem Marktpreis entsprochen hätte, und der dem Land tatsächlich gewährten Vergütung nach den Berechnungen der Kommission auf 1 579 700 000 DM (807 700 000 Euro); dies sei der Gesamtbetrag der Beihilfe.

Am 7. Oktober 1999 erhob Deutschland beim Gerichtshof eine Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung der Kommission (Rechtssache C-376/99, das Verfahren ist derzeit ausgesetzt). Die WestLB und das Land Nordrhein-Westfalen erhoben gegen die Kommissionsentscheidung (am 12. Oktober 1999) zwei weitere Klagen beim Gericht erster Instanz (Rechtssachen T-228/99 und T-233/99).


Entscheidungen der Kommission sind vollziehbar, sofern nicht von dem Gericht, bei dem auf Nichtigerklärung der fraglichen Entscheidung geklagt wird, auf Antrag eine Aussetzung des Vollzugs gewährt wird. Da keine der genannten Klägerinnen eine Aussetzung des Vollzugs beantragt hat und die angefochtene Entscheidung der Kommission daher weiterhin in vollem Umfang rechtlich wirksam ist, hat Deutschland der Kommission dementsprechend die Maßnahmen zur Durchführung der Kommissionsentscheidung mitgeteilt, die das Land vor der gerichtlichen Entscheidung über die genannten Klagen ergreifen wollte.

Am 4. Oktober 1999 teilte Deutschland der Kommission ein erstes Bündel solcher Maßnahmen mit, die sich aus einer Vereinbarung zwischen den Anteilseignern der WestLB ergaben und im Wesentlichen Folgendes vorsahen:

-    Im Fall einer Änderung der Kapitalanteile der Anteilseigner oder einer Liquidation der WestLB sollte das Land eine zusätzliche Beteiligung am Wertzuwachs der WestLB zwischen 1992 und 1998 erhalten. (Nach den Berechnungen des Landes hätte diese zusätzliche Beteiligung die mit der Entscheidung der Kommission beanstandete Beihilfe ausgeglichen.)

-    Für die Zeit nach 1998 sollte die sich aus der Übertragung der WfA ergebende Sonderrücklage in eine "stille Einlage" des Landes umgewandelt werden. Die Kapitalanteile sollten unverändert bleiben, jedoch sollte das Land bei künftigen Kapitalerhöhungen das Recht haben, seinen Anteil durch eine partielle Umwandlung seiner stillen Einlage zu erbringen; dies sollte zu einem von den Anteilseignern jeweils einvernehmlich zu vereinbarenden Satz geschehen.

-    Schließlich sollte die Vereinbarung zwischen den Anteilseignern rückwirkend entfallen, wenn die Gemeinschaftsgerichte die Entscheidung der Kommission für nichtig erklären, sie rechtskräftig bestätigen oder aber feststellen würden, dass diese Vereinbarung keine ordnungsgemäße Umsetzung der Entscheidung beinhalte.

Die Kommission teilte Deutschland mit, dass diese mitgeteilten Maßnahmen keine ordnungsgemäße Durchführung der Entscheidung seien. Daraufhin schlug Deutschland am 15. März 2000 andere Durchführungsmaßnahmen vor. Diese sahen vor, dass die WestLB dem Land eine Sachleistung in Form einer stillen Einlage erbringen sollte, die frei an Dritte übertragbar sein sollte. (Der Wert dieser Sachleistung entsprach nach Auffassung der deutschen Behörden dem Betrag der fraglichen Beihilfen.)

Die Kommission hielt auch diesen neuen Vorschlag für unzureichend und erhob daher am 24. Mai 2000 beim Gerichtshof eine Klage auf Feststellung, dass Deutschland ihrer Entscheidung vom 8. Juli 1999 nicht nachgekommen sei.

In seinem jetzt ergangenen Urteil erinnert der Gerichtshof zunächst daran, dass die Kommission, wenn sie die Unvereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt feststelle, dem betreffenden Mitgliedstaat aufgeben könne, die Beihilfe aufzuheben oder umzugestalten; die Kommission könne außerdem die Rückforderung der Beihilfe anordnen. Diese Rückforderung sei sodann grundsätzlich nach den Modalitäten vorzunehmen, die das nationale Recht vorsehe. Der Mitgliedstaat bleibe damit frei in der Wahl der Mittel, mit denen er die Entscheidung durchführen wolle, vorausgesetzt, das Gemeinschaftsrecht bleibe gewahrt. Dies bedeute, dass ein Mitgliedstaat, wenn er beschließe, eine Beihilfe nicht in der Form von Barzahlung zurückzufordern, und somit alternative Maßnahmen wähle, der Kommission die Informationen zur Verfügung stellen müsse, die ihr die Nachprüfung ermöglichten, dass diese alternativen Maßnahmen geeignet seien, das von der Entscheidung der Kommission vorgeschriebene Ergebnis zu erreichen.



Der Gerichtshof stellt klar, dass eine zur Rückforderung erlassene Maßnahme
-    zur Wiederherstellung der durch die Gewährung der rechtswidrigen Beihilfe verfälschten Wettbewerbsbedingungen geeignet sein müsse,
-    als solche für die Kommission und die übrigen Beteiligten identifizierbar sein müsse,
-    nicht von Bedingungen abhängig sein dürfe und
-    sofort anwendbar sein müsse.


Der Gerichtshof stellt weiter fest, dass die der Kommission am 4. Oktober 1999 mitgeteilten Maßnahmen diese Voraussetzungen nicht erfüllten: Zum einen beziehe sich der Anspruch des Landes auf Erlangung eines zusätzlichen Anteils am Wertzuwachs der WestLB lediglich auf eine ungewisse Zukunft, und zum anderen sei die fragliche Maßnahme wegen der Klausel, wonach die genannte Vereinbarung zwischen den Anteilseignern im Fall einer endgültigen gerichtlichen Bestätigung der Kommissionsentscheidung rückwirkend wieder entfalle, widerruflich. Zur am 15. März 2000 mitgeteilten Maßnahme stellt der Gerichtshof fest, dass die deutsche Regierung eingeräumt habe, dass es sich dabei nur um einen Vorschlag zur Durchführung der Kommissionsentscheidung handele, der nicht bindend sei. Der Gerichtshof hat deshalb diesen Vorschlag nicht geprüft.


Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.

Die vorliegende Presseerklärung ist in Deutsch, Englisch und Französisch verfügbar.

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