PRESSEMITTEILUNG N. 101/02
Deutschland hat nicht nachgewiesen, dass die in den Jahren 1999 und 2000 mitgeteilten
Maßnahmen geeignet waren, den durch die Beihilfen verfälschten Wettbewerb
unverzüglich wiederherzustellen
Der Bundesverband deutscher Banken übermittelte der Kommission mehrere Beschwerden, mit
denen gerügt wurde, dass die Übertragung der WfA gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße. Mit
Entscheidung vom 8. Juli 1999 stellte die Kommission fest, dass diese Übertragung eine
rechtswidrige und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe sei, und ordnete
zugleich deren Rückforderung an. Die Kommission beanstandete, dass die dem Land als
Gegenleistung für die Übertragung der WfA gewährte Vergütung unzureichend sei. Für die Zeit
von 1992 bis 1998 belaufe sich die Differenz zwischen einer Vergütung, die dem Marktpreis
entsprochen hätte, und der dem Land tatsächlich gewährten Vergütung nach den Berechnungen
der Kommission auf 1 579 700 000 DM (807 700 000 Euro); dies sei der Gesamtbetrag der
Beihilfe.
Am 7. Oktober 1999 erhob Deutschland beim Gerichtshof eine Klage auf Nichtigerklärung
dieser Entscheidung der Kommission (Rechtssache C-376/99, das Verfahren ist derzeit
ausgesetzt). Die WestLB und das Land Nordrhein-Westfalen erhoben gegen die
Kommissionsentscheidung (am 12. Oktober 1999) zwei weitere Klagen beim Gericht erster
Instanz (Rechtssachen T-228/99 und T-233/99).
Entscheidungen der Kommission sind vollziehbar, sofern nicht von dem Gericht, bei dem auf
Nichtigerklärung der fraglichen Entscheidung geklagt wird, auf Antrag eine Aussetzung des
Vollzugs gewährt wird. Da keine der genannten Klägerinnen eine Aussetzung des Vollzugs
beantragt hat und die angefochtene Entscheidung der Kommission daher weiterhin in vollem
Umfang rechtlich wirksam ist, hat Deutschland der Kommission dementsprechend die
Maßnahmen zur Durchführung der Kommissionsentscheidung mitgeteilt, die das Land vor der
gerichtlichen Entscheidung über die genannten Klagen ergreifen wollte.
Am 4. Oktober 1999 teilte Deutschland der Kommission ein erstes Bündel solcher Maßnahmen
mit, die sich aus einer Vereinbarung zwischen den Anteilseignern der WestLB ergaben und im
Wesentlichen Folgendes vorsahen:
- Im Fall einer Änderung der Kapitalanteile der Anteilseigner oder einer Liquidation der
WestLB sollte das Land eine zusätzliche Beteiligung am Wertzuwachs der WestLB
zwischen 1992 und 1998 erhalten. (Nach den Berechnungen des Landes hätte diese
zusätzliche Beteiligung die mit der Entscheidung der Kommission beanstandete Beihilfe
ausgeglichen.)
- Für die Zeit nach 1998 sollte die sich aus der Übertragung der WfA ergebende
Sonderrücklage in eine "stille Einlage" des Landes umgewandelt werden. Die
Kapitalanteile sollten unverändert bleiben, jedoch sollte das Land bei künftigen
Kapitalerhöhungen das Recht haben, seinen Anteil durch eine partielle Umwandlung
seiner stillen Einlage zu erbringen; dies sollte zu einem von den Anteilseignern jeweils
einvernehmlich zu vereinbarenden Satz geschehen.
- Schließlich sollte die Vereinbarung zwischen den Anteilseignern rückwirkend entfallen,
wenn die Gemeinschaftsgerichte die Entscheidung der Kommission für nichtig erklären,
sie rechtskräftig bestätigen oder aber feststellen würden, dass diese Vereinbarung keine
ordnungsgemäße Umsetzung der Entscheidung beinhalte.
Die Kommission teilte Deutschland mit, dass diese mitgeteilten Maßnahmen keine
ordnungsgemäße Durchführung der Entscheidung seien. Daraufhin schlug Deutschland am 15.
März 2000 andere Durchführungsmaßnahmen vor. Diese sahen vor, dass die WestLB dem Land
eine Sachleistung in Form einer stillen Einlage erbringen sollte, die frei an Dritte übertragbar
sein sollte. (Der Wert dieser Sachleistung entsprach nach Auffassung der deutschen Behörden
dem Betrag der fraglichen Beihilfen.)
Die Kommission hielt auch diesen neuen Vorschlag für unzureichend und erhob daher am 24.
Mai 2000 beim Gerichtshof eine Klage auf Feststellung, dass Deutschland ihrer Entscheidung
vom 8. Juli 1999 nicht nachgekommen sei.
In seinem jetzt ergangenen Urteil erinnert der Gerichtshof zunächst daran, dass die Kommission,
wenn sie die Unvereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt feststelle,
dem betreffenden Mitgliedstaat aufgeben könne, die Beihilfe aufzuheben oder umzugestalten;
die Kommission könne außerdem die Rückforderung der Beihilfe anordnen. Diese
Rückforderung sei sodann grundsätzlich nach den Modalitäten vorzunehmen, die das nationale
Recht vorsehe. Der Mitgliedstaat bleibe damit frei in der Wahl der Mittel, mit denen er die
Entscheidung durchführen wolle, vorausgesetzt, das Gemeinschaftsrecht bleibe gewahrt. Dies
bedeute, dass ein Mitgliedstaat, wenn er beschließe, eine Beihilfe nicht in der Form von
Barzahlung zurückzufordern, und somit alternative Maßnahmen wähle, der Kommission
die Informationen zur Verfügung stellen müsse, die ihr die Nachprüfung ermöglichten,
dass diese alternativen Maßnahmen geeignet seien, das von der Entscheidung der
Kommission vorgeschriebene Ergebnis zu erreichen.
Der Gerichtshof stellt klar, dass eine zur Rückforderung erlassene Maßnahme
- zur Wiederherstellung der durch die Gewährung der rechtswidrigen Beihilfe
verfälschten Wettbewerbsbedingungen geeignet sein müsse,
- als solche für die Kommission und die übrigen Beteiligten identifizierbar sein
müsse,
- nicht von Bedingungen abhängig sein dürfe und
- sofort anwendbar sein müsse.
Der Gerichtshof stellt weiter fest, dass die der Kommission am 4. Oktober 1999 mitgeteilten
Maßnahmen diese Voraussetzungen nicht erfüllten: Zum einen beziehe sich der Anspruch
des Landes auf Erlangung eines zusätzlichen Anteils am Wertzuwachs der WestLB lediglich auf
eine ungewisse Zukunft, und zum anderen sei die fragliche Maßnahme wegen der Klausel,
wonach die genannte Vereinbarung zwischen den Anteilseignern im Fall einer endgültigen
gerichtlichen Bestätigung der Kommissionsentscheidung rückwirkend wieder entfalle,
widerruflich. Zur am 15. März 2000 mitgeteilten Maßnahme stellt der Gerichtshof fest, dass
die deutsche Regierung eingeräumt habe, dass es sich dabei nur um einen Vorschlag zur
Durchführung der Kommissionsentscheidung handele, der nicht bindend sei. Der
Gerichtshof hat deshalb diesen Vorschlag nicht geprüft.
Die vorliegende Presseerklärung ist in Deutsch, Englisch und Französisch verfügbar.
Wegen des vollständigen Wortlauts des Urteils konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr
15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int
Mit Fragen wenden Sie sich bitte an Herrn Konstantin Schmidt,
Filmaufnahmen von der Urteilsverkündung sind verfügbar über "Europe by Satellite", |