Doris Kaske / Landesgeschäftsstelle des
Arbeitsmarktservice Wien
DIE VERGÜNSTIGUNGEN, DIE EIN WANDERARBEITNEHMER ERWORBEN HAT, DER
EINEM AN EINEM BILATERALEN ABKOMMEN ÜBER SOZIALE SICHERHEIT BETEILIGTEN
STAAT ANGEHÖRT, BESTEHEN AUCH DANN FORT, WENN DIESER ARBEITNEHMER VON
DER FREIZÜGIGKEIT NOCH VOR INKRAFTTRETEN EINER GEMEINSCHAFTSVERORDNUNG
UND VOR DEM WIRKSAMWERDEN DES EG-VERTRAGES IN SEINEM HEIMATSTAAT GEBRAUCH
GEMACHT HAT.
Der Gerichtshof bekräftigt seine Rechtsprechung, wonach für
einen Wanderarbeitnehmer weiterhin die Bestimmungen eines zwischen zwei Mitgliedstaaten
geschlossenen Abkommens gelten, die günstiger sind als die Regelung,
die sich aus einer eigentlich an dessen Stelle getretenen Gemeinschaftsverordnung
ergibt.
Der Arbeitsmarktservice wies ihren Antrag mit der Begründung ab, dass
sie nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld
nach dem österreichischen Gesetz erfülle, mit dem die Gemeinschaftsverordnung
über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer, die in Österreich
am 1. Januar 1994 in Kraft getreten ist, durchgeführt wird: Frau Kaske
habe vor der Geltendmachung ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld keine österreichischen
Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten zurückgelegt, und sie falle
auch nicht unter die Sondervorschriften des österreichischen Gesetzes für
im Inland Ansässige, die sich vor der Zurücklegung von Versicherungszeiten
im Ausland mindestens 15 Jahre lang in Österreich aufgehalten haben. Nach
dieser Ausnahme kann der Antrag auf Arbeitslosengeld in Österreich gestellt
werden, ohne dass der Antragsteller dort zuvor eine Beschäftigungszeit
zurückgelegt haben muss.
Nach Ansicht von Frau Kaske könnten jedoch nach einem 1979 in Kraft getretenen österreichisch-deutschen Abkommen ihre in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten berücksichtigt werden.
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Unter diesen Umständen erhob Frau Kaske gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice
zunächst Berufung, die abgewiesen wurde, und sodann Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof.
Dieser hat den Gerichtshof der EG angerufen mit der Frage, ob die gegenüber
dem österreichischen Recht günstigeren Bestimmungen des österreichisch-deutschen
Abkommens trotz des Inkrafttretens der späteren Gemeinschaftsverordnung
anzuwenden seien. Dabei geht es um die Frage, ob auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit
das Urteil Rönfeldt (C-227/89) des Gerichtshofes der EG übertragen
werden kann, wonach es bei einem zwei- oder mehrseitigen Abkommen nicht dazu
kommen darf, dass Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch
gemacht haben, Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlieren.
Insoweit bestehe keine Veranlassung, zwischen den Beitrags- oder Beschäftigungszeiten
danach zu unterscheiden, ob sie vor oder nach dem Inkrafttreten des Vertrages
und der Verordnung lägen. Der Anspruch auf Anwendung des Abkommens könne
vor dem Inkrafttreten der Gemeinschaftsverordnung erworben sein. Nur wenn alle
Rechte des Arbeitnehmers aus einer Beitrags- oder Beschäftigungszeit nach
Inkrafttreten der Gemeinschaftsverordnung erschöpft seien, sei seine Situation
im Folgenden nach den Vorschriften dieser Verordnung zu beurteilen.
Außerdem hat der Gerichtshof auf eine andere Frage des vorlegenden Gerichts
klargestellt, dass eine nationale Regelung, wonach restriktive Wohnsitzerfordernisse
für die Gewährung von Arbeitslosengeld gelten (mindestens 15-jähriger
Aufenthalt im Inland vor der letzten Beschäftigung im Ausland), eine auf
der Staatsangehörigkeit beruhende Ungleichbehandlung darstelle, da sie
den beständig im Inland erwerbstätigen Österreichern eine Sonderstellung
einräume, und die Freizügigkeit behindere, weil sie die Angehörigen
der anderen Mitgliedstaaten benachteilige. Solchen Erfordernissen stehe auf
jeden Fall der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz der Freizügigkeit der
Arbeitnehmer entgegen.
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