Abteilung Presse und Information


PRESSEMITTEILUNG N. 19/02

27. Februar 2002

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-6/00

Abfall Service AG (ASA) / Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie

ALLE NATIONALEN BEHÖRDEN, DENEN EINE GEPLANTE BEFÖRDERUNG VON ABFÄLLEN VON EINEM MITGLIEDSTAAT IN EINEN ANDEREN MITGLIEDSTAAT MITGETEILT WIRD, DÜRFEN PRÜFEN, OB DIESES VORHABEN IN DIE ENTSPRECHENDE KATEGORIE EINGESTUFT IST, UND MÜSSEN EINWÄNDE GEGEN DIE BEFÖRDERUNG ERHEBEN, WENN DIESE ZUORDNUNG FALSCH IST

Der Gerichtshof gibt ferner eine Definition des Begriffs der "Verwertung" von Abfällen

Am 2. März 1998 teilte die Abfall Service AG (ASA), die ihren Sitz in Graz (Österreich) hat, ihre Absicht, 7 000 Tonnen gefährlicher Abfälle zur Salzwerke AG mit Sitz in Deutschland zu verbringen, dem österreichischen Umweltministerium (BMU) als der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, aus dem die Abfälle stammen, mit. Bei den zu verbringenden Abfällen handelte es sich der Mitteilung zufolge um Schlacken und Aschen, die als Rückstände der Abfallverbrennung in einer Abfallbehandlungsanlage in Wien zu einem "spezifischen Produkt" aufbereitet worden waren. Diese Abfälle sollten in einem ehemaligen Salzbergwerk in Kochendorf (Deutschland) zur Sicherung von Hohlräumen eingebracht werden (Bergversatz).

Das Regierungspräsidium Stuttgart (Deutschland) als zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in den die Abfälle verbracht werden sollten, teilte ASA mit, dass einer Genehmigung der Abfallverbringung als "Verwertung" entsprechend der von ASA vorgenommenen Einstufung von seiner Seite voraussichtlich nichts entgegenstehe.

Der BMU erhob einen Einwand gegen diese Verbringung. Zur Begründung heißt es in der Entscheidung, die beabsichtigte Verbringung stelle in Wirklichkeit eine "Beseitigung" der fraglichen Abfälle dar. ASA focht die Entscheidung des BMU daraufhin vor dem Verwaltungsgerichtshof an, der den Gerichtshof der EG angerufen hat.


Das durch eine Gemeinschaftsverordnung über die Verbringung von Abfällen vorgesehene Verwaltungsverfahren ist im Falle einer Verbringung von Abfällen, die im Bestimmungsland verwertet werden sollen, weniger streng als im Falle einer Verbringung von Abfällen, die dort beseitigt werden sollen.

Das vorlegende Gericht fragt, ob die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, aus dem die Abfälle stammen, prüfen darf, ob eine geplante Verbringung, die in der Notifizierung als "Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen" eingestuft ist, dieser Zuordnung tatsächlich entspricht,und ob sie dieser Verbringung entgegentreten darf, wenn die von der notifizierenden Person vorgenommene Zuordnung unzutreffend ist.

Der Gerichtshof stellt fest, Voraussetzung für die Anwendung der Vorschriften der Gemeinschaftsverordnung, in denen die Fälle festgelegt werden, in denen die zuständigen nationalen Behörden Einwände gegen die Verbringung von Abfällen erheben können, sei zunächst die richtige Zuordnung des Zwecks der Abfallverbringung (Beseitigung oder Verwertung) gemäß den in dieser Verordnung enthaltenen Definitionen.


Er stellt ferner fest, das Ziel der Verordnung, die Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen zu erleichtern, wäre gefährdet, wenn die Zuordnung des Verbringungszwecks nicht kontrolliert würde.

Aus der durch die Verordnung eingeführten Regelung ergebe sich, dass alle zuständigen Behörden, denen eine geplante Abfallverbringung mitgeteilt werden müsse (d. h. die Behörden des Mitgliedstaats, aus dem die Abfälle stammten, diejenigen der Mitgliedstaaten, durch die die Abfälle gegebenenfalls durchgeführt würden, und diejenigen der Mitgliedstaaten, in die die Abfälle verbracht würden), prüfen müssten, ob die von der notifizierenden Person vorgenommene Zuordnung der Verordnung entspreche, und Einwände gegen die Verbringung erheben müssten, wenn diese Zuordnung falsch sei.


Die Verordnung übertrage die Verpflichtung, darüber zu wachen, dass die Verbringung entsprechend ihren Vorschriften erfolge, nämlich allen zuständigen nationalen Behörden zugleich.

Wenn eine nationale Behörde einen Einwand gegen eine Verbringung erhebe, weil diese falsch eingestuft worden sei, könne die Person, die die geplante Verbringung notifiziert habe, auf die Verbringung der Abfälle in einen anderen Mitgliedstaat verzichten, eine neue Notifizierung vornehmen oder ein geeignetes Rechtsmittel gegen die Entscheidung dieser Behörde einlegen.


Das vorlegende Gericht fragt weiter, ob die Einbringung von Abfällen in ein stillgelegtes Bergwerk zwingend eine Beseitigung im Sinne der Gemeinschaftsrichtlinie über Abfälle darstellt oder ob eine solche Einbringung vielmehr je nach Einzelfall beurteilt werden muss und nach welchen Kriterien diese Beurteilung zu erfolgen hat.

Der Gerichtshof führt aus, weder die Verordnung noch die Richtlinie enthielten eine allgemeine Definition der Begriffe der Beseitigung und der Verwertung von Abfällen, sondern sie verwiesen lediglich auf die Anhänge der Richtlinie, in denen die verschiedenen Verfahren, die unter den einen oder den anderen dieser Begriffe fielen, aufgeführt seien.


Der Gerichtshof stellt fest, die Anhänge der Richtlinie verfolgten den Zweck, die am häufigsten vorkommenden Beseitigungs- oder Verwertungsverfahren zusammenzustellen, nicht aber alle Abfallbeseitigungs- oder -verwertungsverfahren im Sinne der Richtlinie genau und abschließend aufzuführen.

Nach der Richtlinie liege das entscheidende Merkmal für eine Abfallverwertungsmaßnahme darin, dass ihr Hauptzweck darauf gerichtet sei, dass die Abfälle eine sinnvolle Aufgabe erfüllen könnten, indem sie andere Materialien ersetzten, die für diese Aufgabe hätten verwendet werden müssen, wodurch natürliche Rohstoffquellen erhalten werden könnten.


Es sei Sache des nationalen Gerichts, dieses Kriterium auf den vorliegenden Fall anzuwenden, um die Einbringung der fraglichen Abfälle in ein stillgelegtes Bergwerk als Beseitigung oder Verwertung einzustufen.



Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.

Dieses Dokument liegt in deutscher, englischer und französischer Sprache vor.

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