PRESSEMITTEILUNG N. 23/02
Familie Leitner buchte bei TUI einen fünfzehntägigen Pauschalurlaub
(All-Inclusive-Aufenthalt) im Juli 1997 in einem Club in der Türkei.
Einige Tage nach Beginn des Aufenthalts in der Clubanlage wies die 1987 geborene
Tochter der Familie, Simone Leitner, die Symptome einer Salmonellenvergiftung
auf; diese hatte ihre Ursache in den im Club gereichten Speisen. Die Vergiftung
hielt bis über das Ende des Aufenthalts hinaus an und verdarb der ganzen
Familie vollständig den Urlaub.
Simone Leitner klagte vor österreichischen Gerichten gegen die TUI als
die Pauschalreise veranstaltende Gesellschaft auf Ersatz der während des
Aufenthalts in der Türkei erlittenen Schäden.
Das Gericht des ersten Rechtszugs sprach nur ein Schmerzensgeld wegen der
Lebensmittelvergiftung zu und wies das darüber hinausgehende, auf eine
andere Erscheinungsform des immateriellen Schadens, nämlich den Schaden
wegen entgangener Urlaubsfreude, gestützte Klagebegehren ab, weil der Ersatz
eines solchen Schadens im österreichischen Recht nicht ausdrücklich
vorgesehen sei.
Die Klägerin legte Berufung beim Landesgericht Linz ein, das den Gerichtshof
der Europäischen Gemeinschaften anrief.
Es möchte wissen, ob die Gemeinschaftsrichtlinie von 1990 über
Pauschalreisen dahin auszulegen ist, dass sie dem Verbraucher grundsätzlich
einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens verleiht, der auf der Nichterfüllung
oder einer mangelhaften Erfüllung der eine Pauschalreise ausmachenden Leistungen
beruht.
Nach dieser Gemeinschaftsrichtlinie müssen die Mitgliedstaaten in ihrem
nationalen Recht eine Reihe von Maßnahmen zugunsten des Verbrauchers (Reisenden)
vorsehen, darunter denAnspruch auf Ersatz von Schäden, die auf der Nichterfüllung
oder einer mangelhaften Erfüllung des Pauschalreisevertrags beruhen. Sie
lässt jedoch offen, welche Art von Schäden erfasst werden, erwähnt
allerdings .Schäden, die nicht Körperschäden sind. Somit
stellt sich die Frage, ob auch immaterielle Schäden wegen .entgangener
Urlaubsfreude zu ersetzen sind.
Der Gerichtshof stellt fest, dass die Richtlinie die Beseitigung der Unterschiede
bezwecke, die zwischen den Regelungen und Praktiken der einzelnen Mitgliedstaaten
auf dem Gebiet der Pauschalreisen festgestellt worden seien.
Bei Pauschalreisen würde aber das Bestehen einer Schadensersatzpflicht
für immaterielle Schäden in einigen Mitgliedstaaten und das Fehlen
einer solchen Pflicht in anderen zu spürbaren Wettbewerbsverzerrungen führen,
da immaterielle Schäden in diesem Bereich häufig zu verzeichnen seien.
Außerdem bezwecke die Richtlinie den Schutz der Verbraucher, für
die bei Urlaubsreisen dem Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude besondere
Bedeutung zukomme.
Nach Ansicht des Gerichtshofes erkennt die Richtlinie implizit einen grundsätzlichen
Schadensersatzanspruch für Nicht-Körperschäden, darunter immaterielle
Schäden, an.
Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Gemeinschaftsrichtlinie dem Verbraucher
grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens verleihe,
der auf der Nichterfüllung oder einer mangelhaften Erfüllung der eine
Pauschalreise ausmachenden Leistungen beruhe.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument ist in Deutsch, Englisch, Finnisch, Französisch,
Griechisch und Italienisch verfügbar. Wegen des vollständigen Wortlauts des Urteils konsultieren Sie
bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet
www.curia.eu.int . Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle
Phalippou, Filmaufnahmen der Urteilsverkündungen sind verfügbar
über .Europe by Satellite - |