Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG N. 26/02

19. März 2002

Schlussanträge des Generalanwalts Philippe Léger     in der Rechtssache C-280/00

Altmark Trans GmbH, Regierungspräsidium Magdeburg / Nahverkehrsgesellschaft Altmark GmbH
    
NACH ANSICHT DES GENERALANWALTS PHILIPPE LÉGER SIND DIE ZUSCHÜSSE, DIE MITGLIEDSTAATEN UNTERNEHMEN GEWÄHREN, DIE DEN ÖFFENTLICHEN NAHVERKEHR BETREIBEN, STAATLICHE BEIHILFEN, DIE BEI DER KOMMISSION ANGEMELDET WERDEN MÜSSEN

Generalanwalt Philippe Léger ist der Auffassung, dass die Gemeinschaftsverordnung über “die Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes” den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, bestimmte öffentliche Personenbeförderungsdienste von ihrem Anwendungsbereich auszunehmen. Die Mitgliedstaaten können diesen Unternehmen daher Zuschüsse gewähren, ohne die in der Verordnung festgelegten Voraussetzungen zu beachten. Allerdings müssen sie die allgemeinen Bestimmungen des EG-Vertrags über staatliche Beihilfen einhalten und diese Beihilfen bei der Kommission anmelden, um deren Genehmigung zu erhalten, bevor die Zuschüsse gewährt werden.

In Deutschland ist die Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen im Linienverkehr nach dem Personenbeförderungsgesetz genehmigungspflichtig. Es handelt sich um eine Genehmigung, die dem Unternehmer für eine bestimmte Verkehrsleistung erteilt wird. Nach Maßgabe der Genehmigung hat der Beförderer bestimmte Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes wie Fahrpreise und Fahrplan einzuhalten.

Seit 1996 unterscheidet das Personenbeförderungsgesetz zwischen “eigenwirtschaftlichen” und “gemeinwirtschaftlichen” Verkehrsleistungen. Eigenwirtschaftlich sind Verkehrsleistungen, deren Aufwand durch Unternehmenserträge gedeckt wird. Nach dem Personenbeförderungsgesetz unterliegen die “gemeinwirtschaftlichen” Verkehrsleistungen der Gemeinschaftsverordnung von 1969 über “die Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes”, während die eigenwirtschaftlich erbrachten Verkehrsleistungen von ihr ausgenommen sind.

1990 erhielt die Altmark Trans GmbH Genehmigungen zur Beförderung von Personen mit Omnibussen im Landkreis Stendal. 1994 erneuerten die deutschen Behörden die Genehmigungen von Altmark Trans und lehnten dieGenehmigungsanträge der Nahverkehrsgesellschaft Altmark GmbH (im Folgenden: NVG Altmark) ab. Die NVG Altmark erhob Klage bei den deutschen Gerichten und trug vor, dass die Altmark Trans Zuschüsse erhalte, die mit den Gemeinschaftsvorschriften über staatliche Beihilfen unvereinbar seien.

Das Oberverwaltungsgericht hob die der Altmark Trans erteilten Genehmigungen auf. Da die Altmark Trans zwingend auf Zuschüsse angewiesen sei, könne sie den fraglichen Verkehr nicht mehr eigenwirtschaftlich durchführen. Dieser Verkehr müsse daher gemeinwirtschaftlich betrieben werden und damit unter die Gemeinschaftsverordnung über die “Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes” fallen. Außerdem seien die der Altmark Trans gewährten Zuschüsse mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar.

Das Bundesverwaltungsgericht, bei dem die Revision anhängig ist, befragt den Gerichtshof der EG, ob
.     die Zuschüsse des Landkreises Stendal an die Altmark Trans nach dem EG- Vertrag verbotene staatliche Beihilfen sind;
.     die deutschen Behörden berechtigt sind, die eigenwirtschaftlich erbrachten Verkehrsleistungen von der Gemeinschaftsverordnung von 1969 über die “Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes” auszunehmen.

        Generalanwalt Philippe Léger stellt heute seine Schlussanträge in dieser Rechtssache.

Die Ansicht des Generalanwalts ist für den Gerichtshof nicht bindend. Aufgabe der Generalanwälte ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit eine rechtliche Lösung für die Rechtssache vorzuschlagen, mit der sie befasst sind.  

Nach Ansicht des Generalanwalts ist die Reihenfolge der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen umzukehren und zunächst zu prüfen, ob die Gemeinschaftsverordnung von 1969 für öffentliche Verkehrsdienste gilt, die eigenwirtschaftlich betrieben werden.

Generalanwalt Philippe Léger ist der Auffassung, dass Deutschland berechtigt sei, die eigenwirtschaftlich erbrachten Dienstleistungen von der Verordnung von 1969 auszunehmen, da diese für Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdienste fakultativ sei. Bei diesen Verkehrsdiensten stehe es den Mitgliedstaaten somit frei, den Unternehmen Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes aufzuerlegen und ihnen Beihilfen zu gewähren. Jedoch müssten die Mitgliedstaaten die allgemeinen Bestimmungen des EG-Vertrags über staatliche Beihilfen einhalten.

Insoweit weist der Generalanwalt darauf hin, dass Zuschüsse, die die Mitgliedstaaten zum Ausgleich der Kosten der Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes gewährten, die sie den Personenverkehrsunternehmen auferlegten, staatliche Beihilfen darstellten, die unter das in den allgemeinen Bestimmungen des EG-Vertrags angeordnete Verbot fielen.

Die Zuschüsse des Landkreises Stendal an die Altmark Trans seien nämlich Vorteile, die den Wettbewerb verfälschen könnten. Außerdem könnten sich dieseZuschüsse auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten auswirken, da mehrere Mitgliedstaaten bereits ihren Markt für Unternehmen geöffnet hätten, die in einem anderen Staat ansässig seien. Daher sei der örtliche oder regionale Charakter der Verkehrsleistungen nicht geeignet, die Anwendung der Bestimmungen des EG- Vertrags über staatliche Beihilfen auszuschließen.

Mitgliedstaaten, die solche Zuschüsse gewähren wollten, seien verpflichtet, ihre Beihilfepläne bei der Kommission anzumelden und deren Genehmigung abzuwarten, bevor sie die Zuschüsse gewährten.

Daher habe das Bundesverwaltungsgericht in dieser Rechtssache zu prüfen, ob der Landkreis Stendal die Beihilfen bei der Kommission angemeldet habe. Sei dies nicht der Fall, habe das Gericht alle Konsequenzen aus diesem Verstoß zu ziehen und die Rückforderung der Beihilfen anzuordnen.



Hinweis: Die Richter des Gerichtshofes der EG beginnen nun ihre Beratung in dieser Rechtssache. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet.


Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.
Dieses Dokument liegt in deutscher, englischer und französischer Sprache vor.
Wegen des vollständigen Wortlauts der Schlussanträge konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int 
Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou, Tel.: (0 03 52) 43 03 - 32 55; Fax: (0 03 52) 43 03 - 27 34.