PRESSEMITTEILUNG N. 35/02
Der Rat hat 1985 einstimmig eine Richtlinie erlassen, die eine Angleichung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung des Herstellers
für Schäden bezweckt, die durch die Fehlerhaftigkeit seiner Produkte
verursacht worden sind. Mit dieser Regelung der Gefährdungshaftung für
fehlerhafte Produkte sollten die Hindernisse für die Einheit des Gemeinsamen
Marktes und die Wettbewerbsverfälschungen infolge der Unterschiedlichkeit
der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften beseitigt werden.
Der Gerichtshof entscheidet heute in drei Rechtssachen, in denen sich die
Frage nach dem Handlungsspielraum stellt, über den der nationale Gesetzgeber
bei der Umsetzung der Richtlinie verfügt. Gewährt die Richtlinie den
Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum bei der Regelung der Haftung für
fehlerhafte Produkte, oder sind sie vollständig an die durch die Richtlinie
eingeführte harmonisierte Haftungsregelung gebunden?
Der Gerichtshof weist in den drei Urteilen zunächst darauf hin,
dass die vom Rat herangezogene Rechtsgrundlage keine Befugnis für die Mitgliedstaaten
vorsehe, von den Harmonisierungsmaßnahmen der Gemeinschaft abweichende
Vorschriften beizubehalten oder einzuführen.
Mit Blick auf den Wortlaut und den Zweck der Richtlinie führt er sodann
aus, dass diese für die darin geregelten Punkte eine vollständige
Harmonisierung bewirke.
Diese Art von Gefährdungshaftung ermögliche es dem Geschädigten,
wenn er den Schaden, den Fehler des Produktes und den ursächlichen Zusammenhang
zwischen diesem Fehler und dem Schaden beweise, Schadensersatz unmittelbar vom
Hersteller zu verlangen, der als verantwortlich für den durch die Fehlerhaftigkeit
seines Produktes verursachten Schaden angesehen werde. Die Richtlinie sehe allerdings
vor, dass der materielle Schaden nur berücksichtigt werde, wenn er höher
sei als 500 Euro.
Die Hellenische Republik und die Französische Republik werden u. a.
deshalb verklagt, weil sie in ihrem nationalen Recht von dieser Selbstbeteiligung
von 500 Euro abgesehen haben.
Der Gerichtshof führt aus, dass die Richtlinie das Ergebnis einer komplexen
Abwägung widerstreitender Interessen sei und diese Schwelle von 500 Euro
der Absicht des Gemeinschaftsgesetzgebers entsprochen habe, eine übermäßige
Anzahl an Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, die von durch fehlerhafte Produkte
Geschädigten ausgingen, die nur einen geringfügigen materiellen Schaden
erlitten hätten. Auch wenn den Geschädigten die vorteilhafteren Beweisregeln
der Richtlinie nicht zugute kämen, würden ihre Rechte dennoch nicht
missachtet. Denn unterhalb der Schwelle von 500 Euro könnten sie sich der
klassischen Mittel des Haftungsrechts bedienen.
Die Hellenische Republik und die Französische Republik werden daher in
diesem Punkt verurteilt.
Desgleichen habe die französische Gesetzgebung, die vorsehe, dass der
Verteiler hafte und seinerseits Rückgriff auf den Hersteller nehmen könne,
in negativer Hinsicht bewirkt, dass sich die Inanspruchnahmen häuften,
was durch die Richtlinie gerade vermieden werden solle.
Schließlich bejaht der Gerichtshof die Frage eines spanischen Gerichts,
ob die Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Ansprüche der durch ein
fehlerhaftes Produkt Geschädigten nach dem Recht eines Mitgliedstaats infolge
der Umsetzung der Richtlinie in das innerstaatliche Recht des betreffenden Staates
eingeschränkt sein können.
Er führt aus, die Richtlinie lasse den Mitgliedstaaten keine Möglichkeit,
eine allgemeine Regelung der Haftung für fehlerhafte Produkte beizubehalten,
die von der Regelung der Richtlinie abweiche. Der Geschädigte behalte jedoch
das Klagerecht im Rahmen der klassischen Haftung.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument ist in Französisch, Griechisch, Spanisch, Englisch
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bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet
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Phalippou, |