Abteilung Presse und Information


PRESSEMITTEILUNG N. 45/02

16. Mai 2002

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-232/99

Kommission gegen Königreich Spanien

SPANIEN WIRD WEGEN NICHT ORDNUNGSGEMÄSSER UMSETZUNG DER GEMEINSCHAFTSBESTIMMUNGEN ZUR ERLEICHTERUNG DER FREIZÜGIGKEIT FÜR ÄRZTE UND ZUR GEGENSEITIGEN ANERKENNUNG IHRER IN ANDEREN MITGLIEDSTAATEN ERWORBENEN BEFÄHIGUNGSNACHWEISE VERURTEILT

Spanien hat gegen seine Verpflichtungen verstoßen, indem es von bestimmten zuwandernden Ärzten systematisch die Teilnahme am nationalen Auswahlverfahren "Médico Interno Residente" (MIR) verlangt hat, ohne eine vorherige fachärztliche Weiterbildung zu berücksichtigen.

Die Gemeinschaftsrichtlinie von 1993 zur Erleichterung der Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise unterscheidet zwischen zwei Gruppen von fachärztlichen Weiterbildungsnachweisen:
-    Nachweise, die von den Mitgliedstaaten automatisch und unbedingt anerkannt werden (solche Nachweise sind nicht Gegenstand des Urteils), und
-    Nachweise, die dem betroffenen Arzt in seinem Herkunftsstaat die Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit ermöglichen, die in einem gewissen Umfang, wenn auch nicht formell, der Facharzttätigkeit entspricht, die er im Aufnahmestaat ausüben will.

Für die zweite Gruppe von Nachweisen sieht die Richtlinie vor, dass der Aufnahmestaat von den zuwandernden Ärzten die erfolgreiche Teilnahme an einer ergänzenden Weiterbildung verlangen kann. Er ist nach der Richtlinie jedoch verpflichtet, die von den zuwandernden Ärzten bereits abgeleistete und durch einen Nachweis belegte Weiterbildungszeit anzurechnen, soweit diese der im Aufnahmestaat für das betreffende Fachgebiet vorgeschriebenen Dauer der Weiterbildung entspricht.

Nach Auffassung der Europäischen Kommission ist diese Verpflichtung im spanischen Recht nicht ordnungsgemäß umgesetzt, da die zuwandernden Ärzte am nationalen Auswahlverfahren "Médico Interno Residente" teilnehmen müssten. Dabei handele es sich nicht um ein Einstellungsverfahren, sondern um eine Staatsprüfung, die für Bewerber bestimmt sei, die eine fachärztliche Weiterbildung beginnen wollten. Der Aufnahmestaat könne zwar nach einer Prüfung der Befähigungsnachweise die Teilnahme an einer ergänzenden Weiterbildung verlangen, er dürfe jedoch den Zugang zu dieser Weiterbildung nicht systematisch vom Bestehen des MIR-Auswahlverfahrens abhängig machen.


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Die spanische Regierung macht geltend, das Auswahlverfahren sei ein objektives Verfahren auf der Grundlage der Verdienste und der Eignung der Bewerber. Es diene der Vergabe der verfügbaren Stellen, deren Zahl begrenzt sei und die daher von den Behörden zugeteilt werden müssten. Eine Befreiung der betreffenden zuwandernden Ärzte von diesem Verfahren würde es außerdem den spanischen Ärzten ermöglichen, das MIR-Verfahren zu umgehen, indem sie in einem Mitgliedstaat eine sehr kurze Weiterbildung absolvieren.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die Gemeinschaftsrichtlinie von 1993 den Zweck verfolgt, die berufliche Mobilität von Ärzten, die Gemeinschaftsangehörige sind und eine fachärztliche Weiterbildung absolviert haben, durch Aufstellung von gemeinsamen Regeln und Kriterien zu erleichtern, die so weit wie möglich eine gegenseitige Anerkennung der Befähigungsnachweise zulassen. Erweist sich die Teilnahme an einer ergänzenden Weiterbildung als erforderlich, so ist der Aufnahmestaat nach der Richtlinie verpflichtet, bei der Entscheidung über diese Weiterbildung die berufliche Qualifikation des Betroffenen zu berücksichtigen.

Der Gerichtshof ist daher der Auffassung, dass die ergänzende Weiterbildung sich nur auf solche Gebiete erstrecken darf, die nach dem nationalen Recht des Aufnahmestaats nicht bereits von den Weiterbildungsnachweisen des Betroffenen erfasst sind. Es verstößt daher gegen die Richtlinie von 1993, wenn zuwandernde Ärzte, die ihre fachärztliche Weiterbildung in anderen Mitgliedstaaten abgeschlossen haben, unterschiedslos am MIR-Auswahlverfahren teilnehmen müssen, das für Allgemeinärzte ohne Facharztausbildung vorgeschrieben ist.

Der Gerichtshof hat daher festgestellt, dass Spanien die Richtlinie von 1993 nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat.

Der Gerichtshof hat dagegen die Klage der Kommission abgewiesen, soweit sie die Regelung des spanischen Rechts betraf, wonach Ärzte dem nationalen Gesundheitssystem angehören müssen, um eine Kostenübernahme für medizinische Leistungen zu erhalten. Nach Auffassung des Gerichtshofes geht diese Frage über den Rahmen der Richtlinie hinaus, die die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Gestaltung ihres eigenen Sozialversicherungssystems unberührt lässt.


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