PRESSEMITTEILUNG N. 51/02
Nach einer Erhöhung der Verbrauchsteuern auf Benzin, Diesel und Flüssiggas
sah der niederländische Gesetzgeber wegen nachteiliger Folgen für
die Betreiber von Tankstellen in der Nähe der deutschen Grenze aufgrund
der niedrigeren Steuersätze in Deutschland die Möglichkeit vor, befristete
Maßnahmen zu erlassen, um die Auswirkungen des Unterschieds zwischen den
Steuersätzen in diesen beiden Ländern zu verringern.
So erließ das Königreich der Niederlande am 21. Juli 1997 eine befristete
Regelung für Tankstellen im Grenzgebiet zu Deutschland, die einen Subventionshöchstbetrag
für drei Jahre festsetzte. Die ursprüngliche Regelung berücksichtigte
nicht, wieviele Tankstellen ein Beihilfeempfänger besaß, was zu erheblichen
Diskrepanzen führte. Der Eigentümer einer einzigen Tankstelle erhielt
praktisch so viel wie der Eigentümer mehrerer Tankstellen. Daher wurde
eine Änderung mit dem Ziel vorgesehen, die Subvention je Tankstelle zu
gewähren.
Beihilfen, die die Mitgliedstaaten Unternehmen gewähren, sind mit dem
EG-Vertrag unvereinbar; unter bestimmten Voraussetzungen sind jedoch Ausnahmen
zulässig; die Kriterien der Vereinbarkeit beurteilt die Europäische
Kommission. Diese sieht in Beihilfen, deren Betrag sehr gering ist, keine Beeinträchtigung
für den Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten. Für diese so genannten
"De-minimis"-Beihilfen gelten drei Kriterien:
. der Höchstbetrag, die Schwelle, darf 100 000 Euro
nicht übersteigen,
. und zwar innerhalb von drei Jahren ab dem Zeitpunkt
der ersten Gewährung;
. sie müssen ferner die Voraussetzung der Nichtkumulierung
erfüllen.
Obwohl für diese "De-minimis"-Beihilfen die Pflicht zur Anmeldung
bei der Kommission nicht gilt, teilte die niederländische Regierung ihr
Änderungsvorhaben der Kommission mit, um sich seiner Zulässigkeit
zu vergewissern. Die Kommission ersuchte die niederländischen Behörden
u. a. um Auskünfte über die Eigentumsstruktur der 633 betroffenen
Tankstellen, um beurteilen zu können, ob die Beihilfe einen Kumulierungseffekt
haben könnte. In Ansehung der gegebenenAuskünfte erklärte die
Kommission einen Teil der Beihilfen für mit dem Gemeinsamen Markt und dem
Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum unvereinbar und ordnete
daher die Rückforderung der bereits gewährten Beihilfen an.
Das Königreich der Niederlande erhob daraufhin beim Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften Klage auf teilweise Nichtigerklärung dieser Entscheidung.
Das heute erlassene Urteil weist diese Klage ab und geht dabei insbesondere
auf die folgenden vier Punkte ein: die Gefahr der Beihilfekumulierung, das
Vorhandensein mittelbarer Beihilfen zugunsten der Mineralölgesellschaften,
das Fehlen oder zumindest die Unzulänglichkeit der von den Niederlanden
gegebenen Auskünfte und die Rückforderung der Beihilfen.
Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die niederländische Regelung,
die die Gewährung von Beihilfen je Tankstelle vorsieht, dem Eigentümer
mehrerer Tankstellen, die er selbst betreibt, die Möglichkeit bietet, ebenso
viele Beihilfen zu erhalten, wie er Tankstellen besitzt. Eine derartige Regelung
birgt daher die Gefahr einer Überschreitung der "De-minimis"-Schwelle
je Empfänger, die von der Kommission verboten wurde.
Der Gerichtshof schließt sich im Übrigen der Ansicht der Kommission
an, die das Bestehen einer Kumulierungsgefahr dann annimmt, wenn eine Mineralölgesellschaft
die Betreiber von Tankstellen de facto kontrolliert, die mit ihr durch Alleinbezugsvereinbarungen
und Pachtverträge verbunden sind, da die Gewährung der streitigen
Beihilfen in der Praxis die Anwendung der Preisregulierungssystem-Klauseln,
die in diesen Vereinbarungen enthalten sind, sinnlos machen würde. Denn
die den Tankstellen gewährten Beihilfen bewirkten auf alle Fälle die
Befreiung der Mineralölgesellschaften von ihrer Pflicht, ganz oder teilweise
die Kosten der von ihrem Händler praktizierten Senkung der Preise an der
Abfüllstation zu übernehmen.
Dieses erneute Eingreifen öffentlicher Stellen stellte somit eine Beihilfe
zugunsten der Mineralölgesellschaften dar, denn es bewirkte, dass sie ihre
Preise nicht anpassen mussten, um ihre Wettbewerbsposition zu wahren und den
Verlust von Marktanteilen zu verhindern. Diese Regelung verringerte tatsächlich
die Lasten, die die Gesellschaften normalerweise selbst hätten tragen müssen.
Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Rechtmäßigkeit einer
Kommissionsentscheidung im Bereich staatlicher Beihilfen anhand der Auskünfte
zu beurteilen ist, über die die Kommission zum Zeitpunkt ihres Erlasses
verfügte. Daher konnten die Niederlande, die der Kommission nicht die angeforderten
Auskünfte erteilt hatten, nicht die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung
geltend machen. Im Übrigen erinnert der Gerichtshof daran, dass die allgemeine
Pflicht zur redlichen Zusammenarbeit nach dem EG-Vertrag Folgendes umfasst:
. die Übermittlung der einschlägigen Auskünfte,
die der Kommission die Rechtfertigung der Anwendung der "De-minimis"-Regel
erlauben,
. die genaue Berechnung der zurückzufordernden Beihilfen
und
. die Mitteilung von Schwierigkeiten, auf die der Mitgliedstaat
bei der Durchführung einer Rückzahlungsanordnung stößt,
an die Kommission, damit diese sie beurteilen kann.
Nach Ansicht des Gerichtshofes hat die Kommission daher zu Recht festgestellt,
dass die Beihilfen, die den Tankstellen gewährt wurden, über die sie
keine oder nur unvollständige Auskünfte erhalten hatte, nicht vom
Geltungsbereich der "De-minimis"-Regel erfasst wurden.
Die Klage der niederländischen Regierung wird daher abgewiesen.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument ist auf Französisch, Englisch, Deutsch und Niederländisch
verfügbar. Wegen des vollständigen Wortlauts des Urteils konsultieren Sie
bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet
www.curia.eu.int Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle
Phalippou, |