Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG N. 55/02

18. Juni 2002

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-299/99

Koninklijke Philips Electronics NV und Remington Consumer Products Ltd.


NUR MARKEN, DIE AUFGRUND IHRES WESENS ODER IHRER BENUTZUNG UNTERSCHEIDUNGSKRÄFTIG SIND, SIND GEEIGNET, DIE MIT IHNEN GEKENNZEICHNETEN WAREN VON DEN WAREN ANDERER UNTERNEHMEN ZU UNTERSCHEIDEN, UND SOMIT EINTRAGUNGSFÄHIG

Ein nur aus der Form der Ware bestehendes Zeichen kann jedoch von der Eintragung ausgeschlossen werden, wenn nachgewiesen wird, dass die wesentlichen Merkmale der Form der Ware nur der technischen Wirkung zuzuschreiben sind.

1966 entwickelte die Firma Philips einen neuen elektrischen Rasierapparat mit drei in Form eines gleichseitigen Dreiecks angeordneten rotierenden Köpfen. 1985 ließ sie nach englischem Recht eine Marke eintragen, die in der grafischen Darstellung der Form und der Beschaffenheit der oberen Fläche dieses Rasierapparats bestand. 1995 begann Remington, ein konkurrierendes Unternehmen, damit, einen Rasierapparat mit einer ähnlichen Formgebung wie der von Philips verwendeten herzustellen und im Vereinigten Königreich in den Handel zu bringen.

Das Ausgangsverfahren wurde durch eine Klage von Philips gegen Remington wegen Verletzung ihres Markenrechts eingeleitet. Remington beantragte daraufhin die Ungültigerklärung der für Philips eingetragenen Marke mit der Begründung, das Zeichen, dessen sich die Marke bediene, sei nicht unterscheidungskräftig. Der Court of Appeal (England & Wales) hat den Gerichtshof um Auslegung der Markenrichtlinie ersucht. Diese Gemeinschaftsrichtlinie führt u. a. die Eintragungshindernisse und Gründe für die Ungültigkeit der Eintragung von Marken auf.

Das vorlegende Gericht ersucht den Gerichtshof, die Richtlinie u. a. in Bezug auf drei Fragen auszulegen.

1. Gibt es eine Kategorie von Marken, die mit der Begründung von der Eintragung ausgeschlossen werden können, sie seien nicht geeignet, die mit ihnen gekennzeichneten Waren von den Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden, selbst wenn sie durch ihre Benutzung Unterscheidungskraft erlangt haben?

    Der Gerichtshof weist darauf hin, dass nach der Richtlinie ein Zeichen eine Marke sein kann, wenn es zwei Voraussetzungen erfüllt: Zum einen muss es sich grafisch darstellen lassen, und zum anderen muss es geeignet sein, die Waren eines Unternehmens von den Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden.


    Nach der Richtlinie können von der Eintragung ausgeschlossen werden u. a. Marken ohne Unterscheidungskraft, beschreibende Marken und Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten üblich sind. Diese Regel wird jedoch dadurch abgemildert, dass ein Zeichen infolge seiner Benutzung eine Unterscheidungskraft erwerben kann, die es ursprünglich nicht hatte. Die Unterscheidungskraft, die Voraussetzung für seine Eintragung ist, erwirbt das Zeichen also durch seine Benutzung.

    Die Gemeinschaftsrichtlinie sieht jedoch auch vor, dass Zeichen, die nicht als Marke eintragungsfähig sind, nicht eingetragen werden dürfen. Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Richtlinie durch dieses Verbot die Eintragung von Zeichen ausschließen soll, die die zweite Voraussetzung für die Eintragung einer Marke nicht erfüllen.

    Folglich sind nur Marken, die aufgrund ihres Wesens oder ihrer Benutzung unterscheidungskräftig sind, geeignet, die mit ihnen gekennzeichneten Waren von den Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden, und somit eintragungsfähig.

2. Reicht die Tatsache, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Form der Ware mit einem bestimmten Hersteller verbinden und annehmen, dass alle Waren mit dieser Form von diesem stammen, aus, um dieses Zeichen unterscheidungskräftig zu machen, so dass es als Marke eingetragen werden kann?

    Der Gerichtshof erinnert daran, dass das nationale Gericht, wenn es zu der Auffassung gelangt, dass zumindest ein erheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher oder Verkehrskreise die Ware aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt, daraus den Schluss ziehen muss, dass die Marke Unterscheidungskraft erworben hat und dass die Voraussetzung für ihre Eintragung somit erfüllt ist. Entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung weist der Gerichtshof jedoch darauf hin, dass solche Umstände nicht nur aufgrund von generellen und abstrakten Angaben festgestellt werden können, sondern dass darauf abzustellen ist, wie ein Durchschnittsverbraucher die fragliche Warenkategorie wahrnehmen würde.

    Zudem muss es auf der Benutzung der Marke als Marke beruhen, dass die Ware als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkannt wird.

3. Kann ein nur aus der Form der Ware bestehendes Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen werden, wenn nachgewiesen wird, dass die wesentlichen Merkmale der Form der Ware nur der technischen Wirkung zuzuschreiben sind, und wenn ja, ist die Eintragung dennoch zulässig, wenn es andere Formen gibt, mit denen sich die gleiche technische Wirkung erzielen lässt?

    Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Richtlinie die Eintragungshindernisse für Zeichen, die sich auf die Form einer Ware beziehen, erschöpfend aufführt. Der Zweck dieser Eintragungshindernisse besteht darin, zu verhindern, dass das Markenrecht seinem Inhaber ein Monopol für technische Lösungen einräumt, die auch Mitbewerber verwenden können. Die Richtlinie soll somit verhindern, dass Formen, deren wesentliche Merkmale einer technischen Funktion entsprechen, eingetragen werden, damit die Mitbewerber nicht gehindert sind, eine Ware mit einer solchen Funktion anzubieten oder zumindest eine technische Lösung mit einer solchen Funktion zu wählen. Die Gemeinschaftsvorschrift verfolgt demnach ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel, da sie verlangt, dass eine solche Form von allen frei verwendet werden kann.


    Zu der Frage, ob das Vorhandensein anderer Formen, mit denen sich die gleiche technische Wirkung erzielen lässt, die Eintragung des Zeichens zulässig macht, führt der Gerichtshof aus, dass nichts im Wortlaut der Vorschriften der Richtlinie für eine solche Schlussfolgerung spricht.

Hinweis: Da es sich um ein Vorabentscheidungsersuchen handelt, ist es Sache des nationalen Gerichts, die Gemeinschaftsvorschriften in der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung auf den in Rede stehenden Rechtsstreit anzuwenden.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument,
das den Gerichtshof nicht bindet.

Dieses Dokument liegt in deutscher, französischer, englischer, niederländischer und italienischer Sprache vor.

Wegen des vollständigen Wortlauts des Urteils konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int 

Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou,
Tel.: (0 03 52) 43 03 - 32 55; Fax: (0 03 52) 43 03 - 27 34.