PRESSEMITTEILUNG N. 59/02
EIN LUXEMBURGISCHES TRANSPORTUNTERNEHMEN, DAS RECHTMÄSSIG KABOTAGEFAHRTEN
IN DEUTSCHLAND DURCHFÜHRT, KANN NICHT VERPFLICHTET WERDEN, DORT DIE ZULASSUNG
SEINER LASTKRAFTWAGEN ZU ERWIRKEN ODER DIE MIT DER ZULASSUNG VERBUNDENEN STEUERN
ZU ENTRICHTEN.
Die Andreas Hoves Internationaler Transport-Service Sàrl [nachfolgend:
Klägerin] ist eine Gesellschaft luxemburgischen Rechts mit Sitz im Großherzogtum
Luxemburg, die nationalen und internationalen Warentransport betreibt.
Herr Hoves ist einer der Geschäftsführer und leitet außerdem
die Hoves Speditionsgesellschaft mbH [nachfolgend: GmbH] mit Sitz in Rhede
(Deutschland). Bis Ende 1995 war die Klägerin ausschließlich als Frachtführerin
für die GmbH tätig, die mit der Einsatzplanung der Fahrzeuge und Fahrer
betraut war.
Auf den Namen der in Luxemburg eingetragenen Klägerin waren fünfzehn
Lastkraftwagen in Luxemburg zugelassen, für die sie die luxemburgische
Kraftfahrzeugsteuer (taxe sur les véhicules automoteurs) entrichtete.
Außerdem erteilten ihr die luxemburgischen Behörden Kabotagegenehmigungen
(mit denen ein Verkehrsunternehmer, der in einem Mitgliedstaat niedergelassen
ist, zum Güterkraftverkehr in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen wird).
Die Klägerin beschäftigte acht Fahrer, die alle in Deutschland ansässig
waren.
Die deutschen Behörden versuchten im Rahmen eines Steuerrechtsstreits
festzustellen, wo sich die Geschäftsleitung der Klägerin befand. Sie
ermittelten Rhede in Deutschland als Ort der Geschäftsleitung und gelangten
ferner zu der Auffassung (so das Finanzgericht Münster), dass die Fahrzeuge
ihren regelmäßigen Standort in Rhede hätten; dabei handele es
sich um den Ort, von dem aus über den Einsatz des Fahrzeugs zum Verkehr
bestimmt werde.
Folglich müssten die Fahrzeuge nach deutschem Recht in Deutschland zugelassen
sein und dort der Kraftfahrzeugsteuer unterworfen werden.
Das Finanzgericht Münster hat jedoch Zweifel, ob diese Rechtslage im
Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften steht, insbesondere der
Verordnung Nr. 3118/93 zur Festlegung der Bedingungen für die Zulassung
von Verkehrsunternehmen zum Güterkraftverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats,
in dem sie nicht ansässig sind, und der Richtlinie 93/89 über die
Besteuerung bestimmter Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung sowie die
Erhebung von Maut- und Benutzungsgebühren für bestimmte Verkehrswege
durch die Mitgliedstaaten. Deswegen hat es sich an den Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften gewandt.
Nach der betreffenden Verordnung unterliegt die Durchführung der Kabotagefahrten
in einer Reihe von Bereichen den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats.
Die Kraftfahrzeugsteuer wird in diesem Rahmen nicht ausdrücklich erwähnt.
Mit Blick auf die Dienstleistungsfreiheit stellt der Gerichtshof fest, es
wäre geradezu die Negation der Freiheit zur Erbringung von Kabotagedienstleistungen,
deren Ausübung voraussetze, dass das Kraftfahrzeug im Mitgliedstaat der
Niederlassung amtlich zugelassen sei, wenn der Verkehrsunternehmer die Zulassung
des Fahrzeugs im Aufnahmemitgliedstaat erwirken müsste.
Mit der Verordnung werde nämlich die Beseitigung aller Beschränkungen
für Erbringer von Dienstleistungen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit
oder eines vom Ort der Leistungserbringung verschiedenen Niederlassungsorts
bezweckt. Einen Verkehrsunternehmer zur Entrichtung von Kraftfahrzeugsteuer
im Aufnahmemitgliedstaat zu zwingen, obwohl er sie bereits im Mitgliedstaat
der Niederlassung gezahlt habe, laufe diesem Ziel zuwider.
Nach Auffassung des Gerichtshofes war die Klägerin als luxemburgische
Gesellschaft ferner berechtigt, ein Unternehmen in Deutschland mit bestimmten
Entscheidungen auf dem Gebiet der Organisation der Transporte zu betrauen, ohne
dass sie dadurch ihre Stellung als eine Kabotageleistungen erbringende Gesellschaft
verloren hätte.
Hätten die deutschen Behörden Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit
der Kabotagegenehmigungen gehabt, so hätten sie die luxemburgischen Behörden
um erneute Prüfung bitten müssen.
Zur Frage, ob es der Begriff des regelmäßigen Standorts der
Fahrzeuge dem Aufnahmemitgliedstaat ermöglicht, die bereits im Mitgliedstaat
der Niederlassung besteuerten Fahrzeuge nochmals zu besteuern, stellt der Gerichtshof
fest, nach den einschlägigen Vorschriften sei von der Existenz eines einzigen
Mitgliedstaats der Zulassung ausgehen.
Das mit der Verordnung verfolgte Ziel der Förderung von Kabotageleistungen
wäre nicht erreichbar, wenn der Aufnahmemitgliedstaat die betreffende Steuer
verlangen könnte, obwohl eine solche Steuer bereits im Mitgliedstaat der
Niederlassung und Zulassung gezahlt worden sei.
das das Gericht nicht bindet. Dieses Dokument liegt in deutscher, englischer und französischer
Sprache vor. Wegen des vollständigen Wortlauts des Urteils konsultieren Sie
bitte unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle
Phalippou |