Abteilung Presse und Information


PRESSEMITTEILUNG N. 64/02


11. Juli 2002

Schlussanträge der Generalanwältin Christine Stix-Hackl in der Rechtssache C-57/01

Makedoniko Metro und Michaniki AE / Elliniko Dimosio

DIE GENERALANWÄLTIN ÄUSSERT SICH ZU FRAGEN EINES GRIECHISCHEN GERICHTS ÜBER DAS VERGABEVERFAHREN ZUM BAU DER UNTERGRUNDBAHN VON THESSALONIKI

Nach Ansicht der Generalanwältin verstößt ein nationales Verbot der Änderung der Zusammensetzung einer Arbeitsgemeinschaft nach Abgabe eines Angebots für einen öffentlichen Bauauftrag nicht gegen Gemeinschaftsrecht.


Das griechische Ministerium für Umwelt, Raumordnung und öffentliche Arbeiten schrieb 1992
international die Planung und Errichtung, Eigenfinanzierung und den Betrieb einer Untergrundbahn für Thessaloniki mit veranschlagten Kosten in Höhe von 65 000 000 000 DRA aus. In der ersten Phase wählte der Vergabeausschuss acht Firmengruppen aus, die Interesse bekundet hatten. Dazu gehörte auch die griechische Arbeitsgemeinschaft Makedoniko Metro, die aus der griechischen Gesellschaft Michaniki AE und drei italienischen Gesellschaften bestand.

In der zweiten Phase der Ausschreibungen gab auch die Arbeitsgemeinschaft Angebote ab. Dann wurde sie durch eine deutsche Gesellschaft erweitert. In dieser neuen Zusammensetzung hat sie ebenfalls ein Angebot eingereicht.

Aufgrund der Prüfung der Angebote wurde die Arbeitsgemeinschaft in dieser Zusammensetzung
1994 als vorläufige Zuschlagsempfängerin nominiert.

Nach dem Beginn der Verhandlungen zwischen dem griechischen Staat und der Arbeitsgemeinschaft teilte diese dem Minister im März 1996 mit, inzwischen sei an die Stelle der bisherigen deutschen Gesellschaft eine andere deutsche getreten.

Auf Fragen wegen Gerüchten, dass ihre italienischen Gesellschaften in Konkurs gefallen seien, teilte die Arbeitsgemeinschaft dem Minister im Juni 1996 mit, die italienischen Gesellschaften seien ausgeschieden; die Arbeitsgemeinschaft bestehe inzwischen aus der griechischen Gesellschaft Michaniki AE, der erwähnten deutschen Gesellschaft und einer belgischen Gesellschaft.


Im November 1996 erklärte der Minister die Verhandlungen für gescheitert, weil Positionen der
Arbeitsgemeinschaft von den Vorschriften der Ausschreibungsunterlagen wesentlich abwichen. Er lud die zweite Anwärterin auf den vorläufigen Zuschlag, die Thessaloniki Metro, zu Verhandlungen ein.

Die Arbeitsgemeinschaft beantragte beim griechischen Staatsrat die Aufhebung der Entscheidung, mit der die Verhandlungen abgebrochen wurden. Nach Auffassung des Staatsrates
ist nach den ausdrücklichen Ausschreibungsbedingungen die Änderung in der Zusammensetzung einer Arbeitsgemeinschaft nur bis zur Abgabe der Angebote zulässig. Daher sei die Arbeitsgemeinschaft in ihrer geänderten Zusammensetzung nicht berechtigt, die Aufhebung zu beantragen.

Die Klage der Arbeitsgemeinschaft gegen den griechischen Staat auf Schadensersatz wies das Verwaltungsgericht erster Instanz Athen mit der Begründung ab, dass die Arbeitsgemeinschaft in ihrer neuen Zusammensetzung, in der sie die Klage erhoben habe, nicht zur Forderung von Schadensersatz berechtigt sei.

Gegen das Urteil legte die Arbeitsgemeinschaft beim Verwaltungsgericht zweiter Instanz Athen Berufung ein. Sie meint, die angewendeten griechischen Vorschriften verstießen gegen Gemeinschaftsrecht. Deshalb fragt das griechische Gericht den Gerichtshof der EG nach der Auslegung der Gemeinschaftsrichtlinie zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge und der Gemeinschaftsrichtlinie zur Koordinierung der Vorschriften über Nachprüfungsverfahren.

Generalanwältin Stix-Hackl trägt heute ihre Schlussanträge vor.

Die Ansicht des Generalanwalts ist für den Gerichtshof nicht bindend. Seine Aufgabe ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit eine rechtliche Lösung für die Rechtssachen vorzuschlagen, mit denen er befasst ist.  

Nach Ansicht der Generalanwältin liegt kein Verstoß gegen die Gemeinschaftsrichtlinien vor.

Die Gemeinschaftsrichtlinie über die Vergabe öffentlicher Bauaufträge sei dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehe, die die Änderung der Zusammensetzung einer Arbeitsgemeinschaft nach Abgabe eines Angebotes verbiete.

Die Gemeinschaftsrichtlinie bezwecke lediglich die Koordinierung der einzelstaatlichen Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge und sehe somit keine umfassende Gemeinschaftsregelung in diesem Bereich vor. Sie selbst regele die Änderung in der Zusammensetzung einer Arbeitsgemeinschaft nicht ausdrücklich. So komme das nationale Recht zur Anwendung, das jedoch die sich aus dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere aus dem EG- Vertrag, ergebenden Grenzen beachten müsse. Im vorliegenden Fall sei aber kein Verstoß ersichtlich.

Die Gemeinschaftsrichtlinie über die Nachprüfungsverfahren ist nach Ansicht der Generalanwältin auf Entscheidungen über die Änderung der Zusammensetzung einer Arbeitsgemeinschaft wie die des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar.

Die Gemeinschaftsrichtlinie gelte ausdrücklich nur für Verstöße gegen das .Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen“. Da es hier an gemeinschaftsrechtlichen Regelungen über die Änderung der Zusammensetzung einer Arbeitsgemeinschaft überhaupt fehle, könne es logischerweise auch keine Verstöße gegen solche gemeinschaftsrechtlichen Regelungen oder ihre Umsetzung geben.


Hinweis: Die Richter des Gerichtshofes der EG beginnen nun ihre Beratung in dieser Rechtssache. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet.


Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.

Dieses Dokument liegt in deutscher und griechischer Sprache vor.

Wegen des vollständigen Wortlauts der Schlussanträge konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int 

Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou,
Tel.: (0 03 52) 43 03 - 32 55; Fax: (0 03 52) 43 03 - 27 34.