Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG N. 80/02


8. Oktober 2002

Urteil des Gerichts in den verbundenen Rechtssachen T-185/00, T-216/00, T-299/00 und T-300/00

Métropole télévision SA (M6), Antena 3 de Televisión SA, Gestevisión Telecinco SA und SIC - Sociedade Independente de Comunicação SA / Kommission der Europäischen Gemeinschaften

DIE REGELN ÜBER DEN ERWERB VON FERNSEHRECHTEN FÜR SPORTLICHE VERANSTALTUNGEN IM RAHMEN DER EUROVISION DURCH DRITTE FÜHREN ZU WETTBEWERBSBESCHRÄNKUNGEN, DIE GEGEN DEN EG-VERTRAG VERSTOSSEN

Die Kommission hat zu Unrecht festgestellt, dass die Unterlizenzregelung der EBU sogar in einem auf große internationale sportliche Ereignisse beschränkten Markt den Zugang Dritter, die in Wettbewerb mit Mitgliedern der EBU stehen, zu den Eurovisionsrechten garantiert.

Die Eurovision ist ein System des Austauschs von Fernsehprogrammen, das auf der Verpflichtung der angeschlossenen Rundfunk- und Fernsehanstalten beruht, sich gegenseitig ihre Berichterstattung über sportliche und kulturelle Ereignisse, die in ihrem Land stattfinden, anzubieten, soweit sie für die übrigen Mitglieder von Interesse sein können. Ihre Koordinierung nimmt ein Branchenverband, die Europäische Rundfunk- und Fernsehunion (EBU) wahr, deren aktive Mitglieder sich an einem System des gemeinsamen Erwerbs und der gemeinsamen Nutzung von .Eurovisionsrechten“ genannten Fernsehrechten für internationale Sportveranstaltungen beteiligen können.
Vier Gesellschaften, die frei zu empfangende landesweite Fernsehsender betreiben, nämlich der französische Kanal Métropole télévision SA (M6), die Gesellschaften spanischen Rechts Antena 3 de Televisión SA und Gestevisión Telecinco SA und die Gesellschaft portugiesischen Rechts Sociedade Independente de Comunicação SA (SIC), beanstanden die Regeln über den gemeinsamen Erwerb von Fernsehrechten für Sportereignisse, den Austausch des Signals für sportliche Programme im Rahmen der Eurovision und den Zugang Dritter auf vertraglicher Grundlage, weil sie angeblich zu erheblichen Wettbewerbsbeschränkungen führen. Kernpunkt der vier Klagen ist insbesondere die Regelung über Unterlizenzen, die den Zugang dritter, frei zu empfangender Sender zum Eurovisionssystem im Einzelnen festlegt.

Eine Entscheidung der Kommission von 1993, mit der die Regeln über den Zugang (im Sinne einer weiten Zulassung) zu den von der EBU erworbenen Rechten von den gemeinschaftlichen Kartellvorschriften freigestellt wurden, wurde vom Gericht erster Instanz der EG am 11. Juli 1996 für nichtig erklärt1. Daraufhin und auf Aufforderung der Kommission erließ die EBU neue Regeln, die die Kommission mit einer zweiten Entscheidung für den Zeitraum vom 26. Februar 1993 bis zum 31. Dezember 2005 für den Bereich insbesondere der Unterlizenzen freistellte und die als eine Regelung angesehen wurden, die den Nichtmitgliedern einen umfassenden Zugang zu Rechten für Liveübertragungen und Aufzeichnungen zu vernünftigen Bedingungen bietet. Gegen diese zweite Entscheidung richten sich die vorliegenden Klagen vor dem Gericht erster Instanz der EG, da die Voraussetzung, auf die die Entscheidung gestützt sei, nämlich dass der Wettbewerb der Nichtmitglieder nicht ausgeschaltet werde, nicht erfüllt sei, so dass die Freistellungsentscheidung aufzuheben sei.

Das Gericht erster Instanz der EG bestätigt den Standpunkt der Klägerinnen: Die Unterlizenzregelung garantiere den Konkurrenten der Mitglieder der EBU keinen ausreichenden Zugang zu den Rechten für die Übertragung sportlicher Ereignisse, über die Letztere aufgrund ihrer Beteiligung an dieser Einkaufsgemeinschaft verfügten. Folglich sei die Freistellung der Regelung für nichtig zu erklären.

Das Gericht untersucht zunächst die Struktur der betreffenden Märkte und die Wettbewerbsbeschränkungen, zu denen das Eurovisionssystem führt. Aufgrund dieser ersten Prüfung ergebe sich, dass ein vorgelagerter Markt, der des Erwerbs der Fernsehrechte, und ein nachgelagerter Markt, der der Fernsehübertragung sportlicher Ereignisse, bestünden und dass die Fernsehrechte für sportliche Ereignisse für ein bestimmtes Gebiet, gewöhnlich ein Land, auf Ausschließlichkeitsbasis gewährt würden. Diese Ausschließlichkeit gelte als unverzichtbar, um den Wert eines Sportprogramms, der sich in Einschaltquoten und möglichen Werbeeinnahmen ausdrücke, zu verbürgen.
Die Untersuchung der Wirkungen des Eurovisionssystems auf den Wettbewerb habe zwei Arten von Beschränkungen zutage gebracht:
-    Zum einen beschränkten der gemeinsame Erwerb der Fernsehrechte für sportliche Ereignisse, deren Nutzung und der Austausch des Signals den Wettbewerb zwischen den Mitgliedern der EBU, die sowohl auf dem vorgelagerten als auch auf dem nachgelagerten Markt in Wettbewerb stünden.
-    Zum anderen führe dieses System zu Wettbewerbsbeschränkungen gegenüber Dritten, weil diese Rechte im Allgemeinen als Exklusivrechte verkauft würden, was ein erschwerender Umstand für die Nichtmitglieder sei, denen dadurch der Zugang verwehrt werde.
Auch wenn der Erwerb der Rechte für die Fernsehübertragung eines Ereignisses für sich genommen keine gegen die Vertragsbestimmungen verstoßende Wettbewerbsbeschränkung darstelle und durch die Besonderheiten des Produkts und des betreffenden Marktes gerechtfertigt sein könne, könne die Ausübung dieser Rechte aufgrund besonderer rechtlicher oder wirtschaftlicher Begleitumstände dennoch zu einer solchen Beschränkung führen. Würden die genannten Fernsehsender am Zugang zu diesen Programmen gehindert, würde ihnen die Chance von Gewinnen vorenthalten; zudem zeige sich, dass das Eurovisionssystem zu den ausschließlichsten Systemen gehöre, da gleiche Rechte, die von einer anderen Multimediaagentur erworben würden, Gegenstand von Verhandlungen zwischen den Wirtschaftsteilnehmern auf ihren jeweiligen Märkten seien.

Das Gericht erster Instanz der EG hat daraufhin geprüft, ob die Regelung über den Zugang Dritter zum Eurovisionssystem einen Ausgleich der Wettbewerbsbeschränkungen gegenüber diesen Dritten zulässt und damit eine Ausschaltung des Wettbewerbs Dritter verhindert. Dabei seien zwei Fälle zu unterscheiden: die Direktübertragungen und die Aufzeichnungen. Wenn auch


vertretbar erscheine, dass die Mitglieder der EBU sich die erste Kategorie vorbehielten, könne jedenfalls nichts rechtfertigen, dass sie dieses Recht auch dann auf alle Wettbewerbe ein und desselben Ereignisses ausdehnten, wenn sie nicht die Absicht hätten, alle diese Wettbewerbe direkt auszustrahlen. Die Möglichkeit, Ereignisse aufzuzeichnen oder zusammenzufassen, sei in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt, insbesondere durch das Zeitembargo und die redaktionelle Behandlung der Programme.

Somit ergebe sich, dass sowohl die Bestimmungen als auch die Durchführung dieser Regelung die Konkurrenten der Mitglieder der EBU - bis auf wenige Ausnahmen - nicht in die Lage versetzten, Unterlizenzen für die nicht verwerteten Eurovisionsrechte für Direktübertragungen zu erwerben; in Wirklichkeit böten sie nur unter sehr engen Bedingungen die Möglichkeit, Zusammenfassungen von Wettbewerben auszustrahlen. Die Kommission habe somit mit der Feststellung, dass die Unterlizenzregelung freigestellt werden könne, einen offenkundigen Beurteilungsfehler begangen.


Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das das Gericht erster Instanz nicht bindet.

Dieses Dokument liegt in deutscher, englischer, französischer, italienischer, portugiesischer und spanischer Sprache vor.

Wegen des vollständigen Wortlauts des Urteils konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int 

Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou
Tel.: (0 0352) 43 03-32 55, Fax: (0 03 52) 43 03-27 34.

Filmaufnahmen der Urteilsverkündung sind auf .Europe by Satellite“ verfügbar
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Abteilung Presse und Information,
L - 2920 Luxemburg
Tel. (0 03 52) 43 01-3 51 77, Fax: (0 03 52) 43 01-3 52 49,
oder B-1049 Brüssel,
Tel. (00 32) 2 2 96 41 06, Fax: (00 32) 2 2 96 59 56, oder (00 32) 2 2 30 12 80.
 


1 -     Vgl. Urteil in den Rechtssachen T-528/93, T-542/93, T-543/93 und T-546/93, Métropole télévision u. a./Kommission.