PRESSEMITTEILUNG N. 82/02
NACH AUFFASSUNG DES GENERALANWALTS KANN EIN MITGLIEDSTAAT KEINE
ÜBER DAS GEMEINSCHAFTSRECHT HINAUSGEHENDEN VORAUSSETZUNGEN FÜR DIE
ÜBERNAHME DER EINEM RENTNER BEI EINEM BESUCH IN EINEM ANDEREN MITGLIEDSTAAT
ENTSTANDENEN ARZTKOSTEN AUFSTELLEN
Herr Ioannidis, ein griechischer Rentner mit Wohnsitz in Griechenland, musste
sich während eines Besuchs in Deutschland in stationäre Behandlung
begeben. Er leidet an einer Herzerkrankung, und dem Attest des behandelnden
Arztes zufolge war der Krankenhausaufenthalt wegen einer Angina pectoris dringend
erforderlich. Herr Ioannidis besaß einen von der griechischen Sozialversicherungsanstalt,
dem IKA, ausgestellten gültigen Vordruck E 111 (der einen
Anspruch auf Sachleistungen bei Krankheit während eines Aufenthalts in
einem anderen Mitgliedstaat verleiht). Anschließend stellte er bei der
deutschen Krankenkasse einen Antrag auf Übernahme seiner Krankenhauskosten,
wobei die Kosten vom IKA erstattet werden sollten. Der deutsche Träger
ersuchte das IKA um Übersendung des Vordrucks E 112 (mit dem
einem Versicherten gestattet wird, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben,
um dort eine angemessene Behandlung zu erhalten) und Erklärung der Bereitschaft
zur Übernahme der Krankenhauskosten.
Das IKA teilte der deutschen Krankenkasse jedoch mit, es könne diese
Kosten nicht übernehmen, da der Betroffene an einer chronischen Krankheit
leide und die Verschlechterung seines Gesundheitszustands nicht plötzlich
eingetreten sei, so dass die nach griechischem Recht bestehenden Voraussetzungen
für die nachträgliche Genehmigung nicht erfüllt seien.
Nachdem dem von Herrn Ioannidis gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch
stattgegeben worden war, erhob das IKA Klage bei einem griechischen Gericht.
Das griechische Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof gefragt,
ob die griechische Vorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, die
als zusätzliche Voraussetzung für die nachträgliche Genehmigung
der Erstattung der Kosten für die ärztliche Behandlung eines Rentners
im Ausland verlangt, dass die Krankheit plötzlich eingetreten ist und dass
eine sofortige Behandlung erforderlich ist.
Die Ansicht des Generalanwalts ist für den Gerichtshof nicht bindend. Aufgabe des Generalanwalts ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit eine rechtliche Lösung der von ihm bearbeiteten Rechtssachen vorzuschlagen. |
Der Sozialversicherungsträger des Aufenthaltsorts könne den vom
Sozialversicherungsträger des Wohnorts erteilten Vordruck E 111 daher
nicht zurückweisen, da der Versicherte von der ärztlichen Versorgung
ausgeschlossen wäre, obwohl er guten Glaubens davon ausgegangen sei, dass
er durch den Besitz des Formulars während seines Aufenthalts in einem anderen
Mitgliedstaat Anspruch auf Sachleistungen bei Krankheit habe.
Besuche somit ein Rentner einen Mitgliedstaat, in dem er nicht wohne,
und bedürfe ärztlicher Behandlung, so dürfe der Träger des
Aufenthaltsorts keine zusätzlichen Bedingungen über das Gemeinschaftsrecht
hinaus aufstellen oder prüfen, ob Leistungen dringend erforderlich seien.
Ebenso wenig könne der Träger des Wohnstaats die Einholung einer nachträglichen
Genehmigung verlangen, wie dies nach griechischem Recht vorgesehen sei.
Wenn die Behörden des Wohnmitgliedstaats den Verdacht hätten, dass
die unter dem Schutz des Vordrucks E 111 durchgeführte Reise des Betreffenden
in der Absicht vorgenommen worden sei, ärztliche Behandlung zu erlangen
und sich damit dem für alle Versicherten geltenden Verfahren zu entziehen,
müssten sie andere Unterlagen und Umstände berücksichtigen (z. B.
Eintragung in einer Warteliste, Verweigerung der Genehmigung für eine ärztliche
Behandlung im Ausland usw.), aus denen sich ergebe, dass dies der Zweck der
Reise gewesen sei.
Generalanwalt Ruiz-Jarabo vertritt schließlich die Auffassung, wenn
der Sozialversicherungsträger des Aufenthaltsorts den Vordruck E 111
ohne Grund zurückweise, müssten die Behörden des Wohnstaats dem
Versicherten die entstandenen Kosten ersetzen, so dass der Rentner nicht benachteiligt
werde.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument liegt in deutscher, englischer, französischer,
griechischer und niederländischer und spanischer Sprache vor. Wegen des vollständigen Wortlauts der Schlussanträge konsultieren
Sie bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet
www.curia.eu.int Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Herrn Konstantin Schmidt, |