Angesichts der Bedeutung des Problems hat der Gerichtshof beschlossen, für die Beantwortung
einer von einem deutschen Gericht vorgelegten Frage ein außergewöhnliches Verfahren
anzuwenden.
In der Rechtssache geht es um die öffentliche Dienstleistung der Beförderung mit Omnibussen
im deutschen Landkreis Stendal. 1994 erteilte der Landkreis der Altmark Trans GmbH
Genehmigungen zur Beförderung und gewährte Zuschüsse, die die Kosten ihrer Aufgabe der
Erbringung öffentlicher Dienstleistungen decken sollten. Ein mit ihr im Wettbewerb stehendes
Unternehmen (die NVGA) erhob Klage bei den deutschen Gerichten und trug vor, dass die
Altmark Zuschüsse erhalte, die mit den Gemeinschaftsvorschriften über staatliche Beihilfen
unvereinbar seien. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Gerichtshof gebeten, sich zur
Rechtsnatur dieser Zuschüsse zu äußern.
Die Altmark Trans GmbH und die NVGA haben dem Gerichtshof in einer ersten Sitzung Ende
2001 ihre Argumente vorgetragen. Angesichts der Bedeutung des Problems hat der Gerichtshof
jedoch beschlossen, eine zweite Sitzung anzuberaumen, und sämtliche Mitgliedstaaten sowie
den Rat und die Kommission gebeten, ihren Standpunkt darzulegen.
Generalanwalt Léger stellt heute seine zweiten Schlussanträge in dieser Rechtssache1.
Die Ansicht des Generalanwalts ist für den Gerichtshof nicht bindend. Aufgabe des Generalanwalts ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit eine rechtliche Lösung der von ihm bearbeiteten Rechtssachen vorzuschlagen. |
In der Sitzung haben einige Mitgliedstaaten vorgetragen, dass dieser Kontrollmechanismus den
Betrieb der öffentlichen Dienstleistungen gefährden könne. Diese Staaten vertreten die Ansicht,
dass das Verfahren zur Überprüfung der Beihilfen relativ langwierig und es für bestimmte Arten
von öffentlichen Dienstleistungen schwierig sei, die Genehmigung durch die Kommission
abzuwarten.
Der Generalanwalt prüft dieses Vorbringen eingehend. Er erläutert, dass der Mechanismus zur
Kontrolle der Beihilfen den Betrieb der öffentlichen Dienstleistungen aus mehreren Gründen
nicht beeinträchtigen kann.
Der Generalanwalt weist erstens darauf hin, dass die Vorschriften des Vertrages nur für Beihilfen
gelten, die an Einrichtungen gezahlt werden, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben.
Demzufolge darf die Finanzierung bestimmter Kernbereiche des Staates, wie der Systeme der
obligatorischen sozialen Sicherung oder der obligatorischen Ausbildung, von der Kommission
nicht geprüft werden.
Zweitens hat die Kommission bei meldepflichtigen Finanzierungen eine Vorprüfung der
Beihilfe innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Anmeldung durchzuführen. Äußert sich die
Kommission innerhalb dieser Frist nicht, können die Mitgliedstaaten die Finanzierung gewähren,
ohne die Genehmigung durch die Kommission abzuwarten. Außerdem sieht der Vertrag für Fälle
von besonderer Dringlichkeit eine Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit zwischen der
Kommission und den Mitgliedstaaten vor, die es ermöglichen sollte, derartige Fälle vorrangig
zu behandeln.
Drittens kann die Kommission eine "Gruppenfreistellungsverordnung" erlassen. In solchen
Verordnungen werden die Voraussetzungen festgelegt, unter denen bestimmte Gruppen von
Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind. Die im Einklang mit diesen
Verordnungen gewährten Beihilfen sind von der Anmeldepflicht ausgenommen. Erlässt die
Kommission eine solche Verordnung, können die Mitgliedstaaten somit die Finanzierung
der öffentlichen Dienstleistungen durchführen, ohne eine Genehmigung durch die
Kommission abwarten zu müssen.
Demnach ist der Generalanwalt der Ansicht, dass der gemeinschaftsrechtliche Mechanismus zur
Kontrolle von Beihilfen (durch Einzelentscheidung oder durch Freistellungsverordnung) der
Qualität und der Erbringung der öffentlichen Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten nicht
schaden kann.
Hinweis: Die Richter des Gerichtshofes der EG treten nun in die Beratung dieser Rechtssache
ein. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.
Dieses Dokument liegt in französischer, deutscher, englischer, spanischer und
italienischer Sprache vor.
Wegen des vollständigen Wortlauts der Schlussanträge konsultieren Sie bitte heute ab
ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int
Mit Fragen wenden Sie sich bitte an Herrn Konstantin Schmidt, |
1 - Generalanwalt Léger hat seine ersten Schlussanträge am 19. März 2002 im Anschluss an die erste Sitzung gestellt.