Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG N. 04/03

16. Januar 2003

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-388/01

Kommission gegen Italien

DER GERICHTSHOF VERURTEILT ITALIEN, WEIL ES VORZUGSTARIFE FÜR DEN ZUGANG ZU LOKALEN ODER DEZENTRALEN KULTURELLEN STÄTTEN ITALIENISCHEN STAATSBÜRGERN ODER PERSONEN VORBEHALTEN HAT, DIE IM GEBIET DER EINRICHTUNGEN WOHNEN, DIE DIE STÄTTEN BETREIBEN

Auch wenn die Regelung in die ausschließliche Zuständigkeit der Regionen fällt, bleibt allein der Staat für die Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen verantwortlich.


Nach Beschwerden über Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnorts beim Zugang zu italienischen Museen führte die Europäische Kommission Untersuchungen durch, bei denen sie zu dem Ergebnis gelangte, dass die Regelung über Vorzugstarife, die beim Eintritt in verschiedene italienische Museen auf über 60 oder 65 Jahre alte Personen anwendbar ist, tatsächlich Diskriminierungen mit sich bringt.

Entsprechend dem vom EG-Vertrag vorgesehenen so genannten Vertragsverletzungsverfahren forderte die Kommission Italien schriftlich auf, dem Diskriminierungsverbot nachzukommen. Daraufhin unterrichtete die italienische Regierung die Kommission von einer unmittelbar bevorstehenden Änderung ihrer Gesetzgebung, mit der die kostenlose Zugangsberechtigung zu den italienischen Museen auf alle Unionsbürger von mehr als 60 oder 65 Jahren ausgedehnt werden solle. Diese Maßnahme war bis dahin allein auf italienische Staatsangehörige oder bestimmte Gebietsansässige beschränkt.

Diese Änderung betraf lediglich die nationalen Museen, nicht aber die kommunalen Museen und Denkmäler (darunter die von Florenz, Padua, Treviso und Venedig). Daher hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

In seinem Urteil weist der Gerichtshof darauf hin, dass eine nationale Regelung über den Zugang zu den Museen eines Mitgliedstaats, die eine Diskriminierung allein der ausländischen Touristen enthält, unzulässig sei. Im Übrigen verbiete die vom Vertrag vorgesehene Gleichbehandlung alle Diskriminierungsformen, auch die verschleierten, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale zu demselben Ergebnis führten. In der vorliegenden Rechtssache sehe die italienische Maßnahme eine unterschiedliche Behandlung aufgrund des Kriteriums des Wohnsitzes vor, das in erster Linie Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten benachteilige, da die Gebietsfremden in der Regel Ausländer seien.

Italien hat die genannte Diskriminierung nicht bestritten, aber versucht, sich zu rechtfertigen.

Zunächst hat sich der Staat auf Erwägungen des Allgemeininteresses berufen, die sich auf wirtschaftliche und steuerliche Kriterien beziehen: Zum einen hat er die durch die Verwaltung der Kulturgüter verursachten Kosten geltend gemacht und sich zum anderen darauf berufen, dass die genannten Vorteile die Gegenleistung für die Zahlung von Steuern darstellten, mit denen sich die Gebietsansässigen an der Verwaltung der betreffenden Stätten beteiligten.

Nach Auffassung des Gerichtshofes können erstens rein wirtschaftliche Argumente nicht anerkannt werden. Zweitens bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen irgendeiner Besteuerung der in Italien Ansässigen und der Anwendung der Vorzugstarife für den Zugang zu den fraglichen Museen und Denkmälern.

Im Übrigen hat sich die italienische Regierung darauf berufen, dass die Regelungen, mit denen die streitigen Tarifvorteile eingeführt worden seien, nicht in ihre Zuständigkeit fielen, sondern in die der lokalen Einrichtungen.

Die Gemeinschaftsrichter erkennen diese Rechtfertigung nicht an. Gegenüber der Gemeinschaft sei nämlich allein der Mitgliedstaat für die Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen verantwortlich.

Dementsprechend stellt der Gerichtshof fest, dass Italien gegen die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze des freien Dienstleistungsverkehrs und der Nichtdiskriminierung verstoßen hat, indem es einer bestimmten Gruppe von Personen (italienische Staatsangehörige oder Personen von mehr als 60 oder 65 Jahren, die im Gebiet der Einrichtungen wohnen, die die fraglichen Tätigkeiten betreiben) diskriminierende Tarifvorteile für den Zugang zu kulturellen Stätten vorbehalten hat.



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das den Gerichtshof nicht bindet.

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