Abteilung Presse und Information
PRESSEMITTEILUNG N° 113/03
11. Dezember 2003
Urteil des Gerichtshofes im Vorabentscheidungsverfahren C-322/01
Deutscher Apothekerverband e. V. / 0800 DocMorris NV und Jacques Waterval
DAS NATIONALE VERBOT DES VERSANDHANDELS MIT ARZNEIMITTELN LÄUFT DEM GEMEINSCHAFTSRECHT ZUWIDER, SOWEIT ES
SICH UM ARZNEIMITTEL HANDELT, DIE AUF DEM DEUTSCHEN MARKT ZUGELASSEN UND NICHT VERSCHREIBUNGSPFLICHTIG
SIND
Dieses Verbot steht mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang, soweit es sich um Medikamente
handelt, die in einem Mitgliedstaat nicht zugelassen sind
Der Deutsche Apothekerverband e. V. ist ein Verband, dessen Aufgabe in der Wahrung und
Förderung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen der Apothekerschaft besteht. Seine Mitglieder sind die
Landesapothekerverbände und die Landesapothekervereine, denen mehr als 19 000 Apothekenleiter angehören.
0800 DocMorris NV ist eine niederländische Apotheke, die in Landgraaf (Niederlande) ansässig ist.
Herr Jacques Waterval ist Apotheker und einer der gesetzlichen Vertreter von DocMorris.
Seit Juni 2000 bieten DocMorris und Herr Waterval im Internet unter der Adresse
"www.0800DocMorris.com" verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Humanarzneimittel zum Kauf an, und zwar insbesondere in
deutscher Sprache für den Endverbraucher in Deutschland. Es handelt sich um Arzneimittel, die
entweder in Deutschland oder in den Niederlanden zugelassen sind.
Der Verbraucher hat u. a. die Möglichkeit, eine Gesundheitsberatung durch den Expertenbeirat der "Internet-Apotheke"
in Anspruch zu nehmen. Er kann DocMorris und Herrn Waterval außerdem über eine
kostenlose Telefonnummer oder per Brief kontaktieren.
Für die verschiedenen Medikamente wird jeweils der Packungsinhalt beschrieben und der Preis in
Euro angegeben. Neben dem gegebenenfalls vorhandenen Hinweis, dass ein Arzneimittel verschreibungspflichtig ist, befindet
sich ein Kästchen für die Bestellung. Zur weiteren Information über das Produkt selbst
kann der Produktname angeklickt werden.
DocMorris und Herr Waterval behandeln ein Arzneimittel als verschreibungspflichtig, wenn es entweder in
den Niederlanden oder in dem Staat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat,
der Verschreibungspflicht unterliegt. Die Auslieferung derartiger Medikamente erfolgt erst nach Vorlage des Originalrezepts.
Die Zustellung kann auf verschiedene Weise erfolgen. So kann der Verbraucher die Bestellung
persönlich bei der Apotheke von DocMorris in Landgraaf, einer Stadt in der Nähe
der deutsch-niederländischen Grenze, abholen. Er kann auch, ohne zusätzliche Kosten, einen von DocMorris
empfohlenen Kurierdienst in Anspruch nehmen.
Der Apothekerverband klagt beim Landgericht Frankfurt am Main (Deutschland) gegen das Anbieten von
Arzneimitteln über das Internet und ihre Abgabe im grenzüberschreitenden Versandhandel. Er ist der
Ansicht, dass diese Tätigkeit nach dem deutschen Arzneimittelgesetz und dem deutschen Heilmittelwerbegesetz unzulässig
ist. Diese gesetzlichen Verbote verstoßen nach Auffassung des Apothekerverbands auch nicht gegen die
Bestimmungen des EG-Vertrags über den Warenverkehr.
In seinem Urteil befasst sich der Gerichtshof zuerst mit den Bestimmungen des deutschen
Arzneimittelgesetzes, nach denen die Einfuhr von Arzneimitteln durch in anderen Mitgliedstaaten zugelassene Apotheken
im Wege des Versandhandels aufgrund individueller, über das Internet aufgegebener Bestellungen von Endverbrauchern
untersagt ist. Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass dieses allgemeine Verbot des Arzneimittelgesetzes
für Arzneimittel, die in Deutschland nicht zugelassen sind, einem auf Gemeinschaftsebene bestehenden Verbot
entspricht: Nach der Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel (inzwischen
ersetzt durch den Gemeinschaftskodex) dürfen Arzneimittel in einem Mitgliedstaat nur in den Verkehr
gebracht werden, wenn für sie entweder durch die zuständige Behörde dieses Staates oder
nach der Gemeinschaftsregelung eine Genehmigung erteilt worden ist. Daher ist nicht zu prüfen,
ob diese Verbote gegen die Bestimmungen des EG-Vertrags über den Warenverkehr verstoßen.
Im Hinblick auf Arzneimittel, die für den deutschen Markt zugelassen sind, stellt der
Gerichtshof fest, dass ein nationales Verbot des Versandhandels mit diesen Arzneimitteln eine Beschränkung
des freien Warenverkehrs darstellt.
Unter Bezugnahme auf seine Rechtsprechung weist der Gerichtshof darauf hin, dass eine Regelung,
die auf die Einfuhren pharmazeutischer Erzeugnisse eine solche beschränkende Wirkung haben kann, mit
dem EG-Vertrag nur vereinbar ist, soweit sie für einen wirksamen Schutz der Gesundheit
und des Lebens von Menschen notwendig ist. Für Arzneimittel, für die keine ärztliche
Verschreibung vorgeschrieben ist, ist das Verbot nicht gerechtfertigt, weil die Möglichkeit, eine hinreichende
Information und Beratung vorzusehen, nicht ausgeschlossen werden kann. Der Kauf über das Internet
könnte auch Vorteile bieten, wie etwa die Möglichkeit, von zu Hause aus in
Ruhe Fragen an die Apotheker zu richten.
Was verschreibungspflichtige Arzneimittel anbelangt, so könnte, wie der Gerichtshof feststellt, die Zulassung einer
Ausgabe dieser Arzneimittel nach Erhalt der Verschreibung und ohne weitere Kontrolle das Risko
erhöhen, dass ärztliche Verschreibungen mißbräuchlich oder fehlerhaft verwendet werden. Im Übrigen kann die
Möglichkeit, dass ein Arzneimittel in einer anderen Sprache etikettiert ist, im Fall von
verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gravierendere Folgen haben. Daher ist ein nationales Verbot des Versandhandels mit
verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gerechtfertigt.
Der Gerichtshof prüft weiter die Vorschriften des deutschen Heilmittelwerbegesetzes, die die Werbung für
den Versandhandel mit Arzneimitteln untersagen. Dieses Verbot steht für Arzneimittel, die zulassungspflichtig, aber
nicht zugelassen sind, und für verschreibungspflichtige Arzneimittel im Einklang mit dem Werbeverbot für
Arzneimittel, das die Gemeinschaftsrichtlinie (inzwischen ersetzt durch den Gemeinschaftskodex) vorsieht.
Dagegen steht der Gemeinschaftskodex einem Werbeverbot für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel entgegen.
das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument ist in allen Amtssprachen verfügbar. Den vollständigen Wortlaut des Vorabentscheidungsverfahrens finden Sie heute ab ca. 12.00 Uhr MEZ auf unserer Homepage www.curia.eu.int Mit Fragen wenden Sie sich bitte an Isabelle Phalippou, Tel.: (00352) 4303 3255; Fax: (00352) 4303 2734 Filmaufnahmen von der Verkündung des Urteils sind verfügbar über den von der Europäischen Kommission, Generaldirektion Presse und Kommunikation, angebotenen Dienst EBS "Europe by Satellite", L-2920 Luxemburg, Tel: (00352) 4301 35177; Fax: (00352) 4301 35249, oder B-1049 Brüssel, Tel: (0032) 2 29 64106; Fax: (0032) 2 29 65956 |