Abteilung Presse und Information
PRESSEMITTEILUNG N° 115/03
11. Dezember 2003
Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-215/01
Bruno Schnitzer
DIE VERPFLICHTUNG ZUR EINTRAGUNG IN DIE HANDWERKSROLLE VERSTÖSST GEGEN DIE DIENSTLEISTUNGSFREIHEIT
Diese Verpflichtung verzögert, erschwert oder verteuert die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die in
der Richtlinie über die Anerkennung der beruflichen Qualifikationen vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind
Nach der deutschen Handwerksordnung ist der Betrieb eines Handwerks nur den in der
Handwerksrolle eingetragenen Personen und Gesellschaften gestattet.
Die Stadt Augsburg verhängte im Jahr 2000 gegen Bruno Schnitzer ein Bußgeld wegen
Zuwiderhandlung gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, weil das von ihm beauftragte
portugiesische Unternehmen nicht in die Handwerksrolle eingetragen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid legte Bruno Schnitzer Einspruch ein, über den das Amtsgericht Augsburg
zu entscheiden hat. Dieses Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob die deutschen Rechtsvorschriften
gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs und die Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung
der im Herkunftsland erworbenen Berufserfahrung verstoßen. Das Amtsgericht Augsburg hält es für möglich,
dass der Gerichtshof ein solches Erfordernis der Eintragung in ein Register auch in
dem Fall als ungerechtfertigt ansieht, in dem der Dienstleistende seine Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat
wiederholt oder mehr oder weniger regelmäßig ausübt.
Der Gerichtshof stellt fest, dass das portugiesische Unternehmen Leistungen erbringt, für die die
Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr gelten, sofern das betreffende Unternehmen nicht als in
Deutschland niedergelassen anzusehen ist.
Allein die Tatsache, dass ein Wirtschaftsteilnehmer Dienstleistungen mehr oder weniger häufig oder regelmäßig
über einen längeren Zeitraum hinweg in einem anderen Mitgliedstaat erbringt, ohne dass er
dort über eine Infrastruktur verfügt, die es ihm erlauben würde, in stabiler und
kontinuierlicher Weise einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, reicht nicht aus, um ihn als in diesem
Mitgliedstaat niedergelassen anzusehen.
Die Verpflichtung, sich in die Handwerksrolle eintragen zu lassen, stellt eine Beschränkung der
Dienstleistungsfreiheit dar, die nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, etwa durch das Ziel,
die Qualität der durchgeführten handwerklichen Arbeiten zu sichern, gerechtfertigt ist. Folglich steht das
Gemeinschaftsrecht der Verpflichtung eines Wirtschaftsteilnehmers, sich in die Handwerksrolle eintragen zu lassen, entgegen,
die die Erbringung von Dienstleistungen im Aufnahmemitgliedstaat verzögert, erschwert oder verteuert, wenn die
in der anwendbaren Richtlinie über die Anerkennung der beruflichen Qualifikationen vorgesehenen Voraussetzungen für
die Ausübung dieser Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat erfüllt sind.
Dieses Dokument ist in folgenden Sprachen verfügbar: FR, DE. Den vollständigen Wortlaut des Urteils finden Sie heute ab ca. 12.00 Uhr MEZ auf unserer Homepage (www.curia.eu.int ). Mit Fragen wenden Sie sich bitte an Isabelle Phalippou, Tel: (00352) 4303 3255, Fax: (00352) 4303 2734. |
Richtlinie 64/427/EWG vom 7. Juli 1964, aufgehoben durch die Richtlinie 1999/42/EG vom 7. Juni 1999.