Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG N. 13/03

6. März 2003

Urteil des Gerichts erster Instanz in den verbundenen Rechtssachen T-228/99 und T-233/99

Westdeutsche Landesbank, Land Nordrhein-Westfalen / Kommission

DAS GERICHT ERKLÄRT WEGEN UNZUREICHENDER BEGRÜNDUNG DIE ENTSCHEIDUNG DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION FÜR NICHTIG, MIT DER FESTGESTELLT WURDE, DASS DIE ÜBERTRAGUNG DER WOHNUNGSBAUFÖRDERUNGSANSTALT AUF DIE WESTDEUTSCHE LANDESBANK EINE UNZULÄSSIGE STAATLICHE BEIHILFE IN HÖHE VON 1 579 700 000 DM DARSTELLE

Nach Ansicht des Gerichts hat die Kommission den Bezugssatz, anhand dessen sie die von der WestLB gezahlte Vergütung als unangemessen eingestuft hat, nicht hinreichend begründet.


Durch Gesetz vom 18. Dezember 1991 übertrug das Land Nordrhein-Westfalen (.Land NRW“) die Wohnungsbauförderungsanstalt des Landes NRW (.WfA“), eine Anstalt des öffentlichen Rechts, deren alleiniger Anteilseigner das Land NRW war und deren Aufgabe es war, finanzielle Hilfen für den Wohnungsbau zu gewähren, auf die Westdeutsche Landesbank Girozentrale (.WestLB“), eine Kreditanstalt des öffentlichen Rechts. Mit der Übertragung ging keine Erhöhung der Beteiligung des Landes NRW an der WestLB einher; es war jedoch vorgesehen, dass das Land NRW ab Januar 1992 ein Entgelt für das eingebrachte Kapital erhalten sollte, das auf einen Satz von 0,6 % nach Steuern pro Jahr festgesetzt wurde.

Ein Verband deutscher Privatbanken, der Bundesverband deutscher Banken, richtete eine Beschwerde an die Europäische Kommission, in der er einen Verstoß dieser Transaktion gegen Gemeinschaftsrecht rügte. Mit einer Entscheidung vom 8. Juli 1999 stufte die Kommission die beanstandete Transaktion als rechtswidrige und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe ein. Sie hält insbesondere die Vergütung, die das Land NRW als Gegenleistung für die WfA-Übertragung erhalte, für nicht angemessen. Ihrer Ansicht nach hätte sich eine marktkonforme Vergütung für einen Teil des der WestLB übertragenen Vermögens auf 9,3 % nach Steuern pro Jahr belaufen müssen. Für den Zeitraum 1992 - 1998 setzte sie den Unterschied zwischen der marktkonformen Vergütung und derjenigen, die das Land NRW tatsächlich erhalten habe, auf insgesamt 1 579 700 000 DM (807 700 000 Euro) an. Nach Auffassung der Kommission stellt diese Zahl somit den Gesamtbetrag der Beihilfe dar, die Deutschland von der WestLB zurückfordern müsse.

Die WestLB und das Land NRW beantragten beim Gericht erster Instanz der EG die Nichtigerklärung dieser Entscheidung. Parallel dazu erhob Deutschland Klage vor dem Gerichtshof der EG. Dieses Verfahren ist ausgesetzt worden, und Deutschland trat den Verfahren vor dem Gericht als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der WestLB und des Landes NRW bei.

Das Gericht untersucht im Einzelnen die Frage, ob die Kommission nach den einschlägigen Gemeinschaftsbestimmungen der Auffassung sein durfte, dass die WfA-Übertragung eine staatliche Beihilfe darstelle. Es verwirft u. a. die Ansicht der Kläger, dass die Kommission den Begriff der staatlichen Beihilfe rechtswidrig erweitert habe. Die Kommission sei vielmehr zu Recht davon ausgegangen, dass eine rechtswidrige staatliche Beihilfe auch dann vorliegen könne, wenn öffentliche Mittel in ein rentables Unternehmen investiert würden. Eine solche Beihilfe liege dann vor, wenn die vom Staat für eine solche Anlage geforderte Rendite niedriger sei als diejenige, die ein privater, marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber für eine vergleichbare Anlage verlangt hätte. Die Kommission habe insoweit die Durchschnittsrendite für Anlagen in dem betroffenen Sektor berücksichtigen dürfen, um die angemessene Vergütung festzustellen, die das Land NRW für die Zufuhr öffentlicher Mittel an die WestLB hätte erhalten müssen.

Das Gericht stellt jedoch fest, dass die Kommission entgegen ihrer Begründungspflicht den Renditesatz von 9,3 %, den sie konkret als angemessene Vergütung angebe, hinsichtlich zweier Aspekte nicht ausreichend begründet habe. Dies betreffe zum einen die Höhe des Grundrenditesatzes, d. h. die Durchschnittsrendite für Anlagen im Bankensektor, und zum anderen den Aufschlag, der auf diesen Satz vorgenommen worden sei, um den Besonderheiten der Transaktion Rechnung zu tragen.

Zum Grundrenditesatz führt das Gericht aus, die Kommission habe nur die ihrer Wahl zugrunde liegenden Informationsquellen aufgezählt, ohne aber die wesentlichen Erwägungen darzulegen, die sie zu dieser Wahl veranlasst hätten.

Die Entscheidung lasse auch die Überlegungen der Kommission in Bezug auf die Wahl der Höhe des Aufschlagsatzes nicht klar erkennen.

Das Gericht erklärt deshalb die Entscheidung der Kommission angesichts der wesentlichen Bedeutung, die diesen Aspekten darin zukomme, für nichtig.

Hinweis: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann binnen zwei Monaten nach ihrer Verkündung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eingelegt werden.

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