Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG N1 18/03

13. März 2003

Schlussanträge des Generalanwalts Siegbert Alber in der Rechtssache C-236/01

Monsanto Agricoltura SpA u. a. / Presidenza del Consiglio dei ministri u. a.

NACH ANSICHT DES GENERALANWALTS KÖNNEN NEUARTIGE LEBENSMITTEL AUCH DANN IN EINEM VEREINFACHTEN VERFAHREN IN VERKEHR GEBRACHT WERDEN, WENN SIE ZWAR RÜCKSTÄNDE VON TRANSGENEN PROTEINEN ENTHALTEN, ABER GESUNDHEITLICH UNBEDENKLICH SIND

Die Mitgliedstaaten könnten jedoch Schutzmaßnahmen erlassen, wenn stichhaltige Gründe zu der Annahme bestehen, dass die Verwendung der betroffenen Lebensmittel die menschliche Gesundheit oder die Umwelt gefährdet.



Die Monsanto Europe S. A. und zwei weitere Unternehmen hatten 1997 und 1998 in einem so genannten vereinfachten Verfahren Lebensmittel, insbesondere Mehl, aus genetisch verändertem Mais in Verkehr gebracht. Zuvor hatte die zuständige britische Lebensmittelbehörde bescheinigt, dass die betreffenden Produkte herkömmlichen Lebensmitteln wesentlich gleichwertig seien. Die italienische Republik hegte jedoch Zweifel an der Unbedenklichkeit der Produkte und verhängte ein vorläufiges Vermarktungs- und Verwendungsverbot für Produkte aus den angemeldeten Maislinien.

Monsanto u. a. haben daraufhin das entsprechende italienische Dekret angefochten. Ihrer Meinung nach verstößt dieses gegen Gemeinschaftsrecht.

Lebensmittel, die aus genetisch veränderten Organismen hergestellt wurden, diese aber nicht mehr enthalten, dürfen nach der Verordnung (EG) Nr. 258/97 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten in einem vereinfachten Verfahren ohne vorherige Genehmigung durch die Kommission in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht werden. Weitere Voraussetzung für Anwendung des vereinfachten Verfahrens ist, dass das neuartige Lebensmittel vergleichbaren herkömmlichen Lebensmitteln wesentlich gleichwertig ist, was durch eine Bescheinigung einer nationalen Lebensmittelprüfstelle nachgewiesen werden kann.

Im vorliegenden Fall waren Gene in den Mais eingefügt worden, der ihn resistent gegen bestimmte Herbizide und Schädlinge machte. Durch die Verarbeitung zu Maismehl wurde die genetisch veränderte DNS zerstört, so dass ein Lebensmittel vorlag, das aus genetisch veränderten Organismen hergestellt wurde, diese aber nicht mehr enthielt, da im Mehl keine vermehrungsfähigen Organismen mehr existierten.

Allerdings enthielt das Maismehl noch kleinste Mengen transgenen Proteins (Produkte der eingefügten Gene) von denen jedoch - soweit bekannt - keinerlei Gefahren für die menschliche Gesundheit ausgingen.

Das mit dem Rechtsstreit über das italienische Dekret befasste Tribunale Amministrativo Regionale del Lazio hat dem Gerichtshof in diesem Zusammenhang eine Reihe von Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Generalanwalt Alber trägt heute seine Schlussanträge in dieser Rechtssache vor.

Die Ansicht des Generalanwalts ist für den Gerichtshof nicht bindend. Aufgabe des Generalanwalts ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit eine rechtliche Lösung der von ihm bearbeiteten Rechtssachen vorzuschlagen.  

Mit seiner ersten Frage ersucht - so der Generalanwalt - das vorlegende Gericht um eine Auslegung des Begriffs der wesentlichen Gleichwertigkeit. Es wolle vor allem wissen, ob wesentliche Gleichwertigkeit auch dann vorliegen kann, wenn in dem Lebensmittel noch Spuren von transgenen Proteinen zu finden sind.

Eine Auslegung nach Sinn und Zweck der Gemeinschaftsverordnung und unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs führt nach Ansicht des Generalanwalts zu dem Schluss, dass neuartige Lebensmittel auch dann als herkömmlichen Lebensmitteln wesentlich gleichwertig anzusehen sind und infolgedessen im vereinfachten Verfahren auf den Markt gebracht werden dürfen, wenn sie zwar noch Rückstände von transgenen Proteinen enthalten, aber nachgewiesen ist, dass diese Stoffe keine Gefahr für den Verbraucher darstellen.

Das italienische Gericht möchte nach Ansicht des Generalanwalts weiterhin wissen, inwieweit die Mitgliedstaaten befugt sind, eigene Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wenn Zweifel an der wesentlichen Gleichwertigkeit der neuartigen Lebensmittel mit herkömmlichen Lebensmitteln bestehen.

Der Generalanwalt kommt hier zu dem Ergebnis, dass die italienische Regierung aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 258/97 vorläufige Maßnahmen erlassen durfte, sofern sie infolge neuer Informationen oder einer Neubewertung bestehender Informationen stichhaltige Gründe zu der Annahme hatte, dass die Verwendung der betroffenen Lebensmittel die menschliche Gesundheit oder die Umwelt gefährdet. Diese Maßnahmen dürften solange aufrecht erhalten werden, bis die Kommission bzw. der Rat eine Entscheidung bezüglich der Stichhaltigkeit der vorgetragenen Gründe erlasse, was bis jetzt nicht geschehen sei.

Der Generalanwalt weist darauf hin, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten sich angesichts von Bedenken und vorgebrachter Kritik darauf geeinigt hätten, ab 1998 das vereinfachte Verfahren nicht mehr auf Produkte aus genetisch veränderten Organismen anzuwenden. Ferner sehe die Kommission in ihrem Vorschlag über eine neue Verordnung von 2001 kein vereinfachtes Verfahren mehr vor.

Hinweis: Die Richter des Gerichtshofes treten nun in die Beratung dieser Rechtssache ein. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet.


Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.

Dieses Dokument liegt in deutscher, englischer, französischer, italienischer und spanischer Sprache vor.

Wegen des vollständigen Wortlauts der Schlussanträge konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int 

Mit Fragen wenden Sie sich bitte an Herrn Konstantin Schmidt,
Tel.: (0 03 52) 43 03-32 55; Fax: (0 03 52) 43 03-27 34.