PRESSEMITTEILUNG N. 32/03
Der Erwerb von Saatgut beim Inhaber ist ein derartiger Anhaltspunkt.
Eine Verordnung von 1994 führt eine einzige und ausschließliche Regelung des
gemeinschaftlichen Schutzes für Pflanzensorten ein. Das Recht auf den gemeinschaftlichen
Sortenschutz steht der Person zu, die die Sorte hervorgebracht oder entdeckt und entwickelt hat.
Die Verordnung sieht eine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz des Schutzes der Rechte des
Inhabers vor, die als "Landwirteprivileg" bezeichnet wird. Die Landwirte können in ihrem
Betrieb das Ernteerzeugnis einer geschützten Sorte verwenden, ohne die Zustimmung des
Sortenschutzinhabers einholen zu müssen. Diese Ausnahme wurde im öffentlichen Interesse der
Sicherung der landwirtschaftlichen Erzeugung geregelt.
Eine Verordnung von 1995 legt die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Ausnahme fest
und bestimmt, dass die Landwirte, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, dem Inhaber
des Sortenschutzes eine Entschädigung zu zahlen haben. Diese Verordnung regelt im Übrigen
die Auskunftspflicht des Landwirts, der dem Sortenschutzinhaber bestimmte Informationen zu
geben hat.
Herr Schulin, ein deutscher Landwirt, weigerte sich, der Saatgut
Treuhandverwaltungsgesellschaft mbH (die von den Sortenschutzinhabern ermächtigt worden
ist, ihre Vergütungsansprüche geltend zu machen) Auskünfte zu erteilen und ihr Angaben
darüber zu machen, ob er in der Vegetationsperiode 1997/98 vom Landwirteprivileg Gebrauch
gemacht hat.
Er wurde vom Landgericht Frankfurt am Main zur Erteilung der verlangten Auskünfte verurteilt.
Das im letzten Rechtszug angerufene Oberlandesgericht Frankfurt am Main fragt den
Gerichtshof, ob der Inhaber des gemeinschaftlichen Sortenschutzes von jedem beliebigen
Landwirt Auskünfte verlangen kann, um von ihm die Zahlung der für die Inanspruchnahme des
Landwirteprivilegs geschuldeten Vergütung verlangen zu können, auch wenn kein Anhaltspunkt
dafür besteht, dass er die Pflanzensorte in seinem Betrieb verwendet hat.
Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass sich aus den anwendbaren Bestimmungen der
Verordnung von 1994 und ihrer Systematik ergibt, dass sie nicht alle Landwirte erfassen. Er stellt
weiter fest, dass eine Auslegung dieser Verordnung, wonach alle Landwirte allein wegen ihrer
Zugehörigkeit zu diesem Berufsstand - selbst diejenigen, die niemals Vermehrungsgut einer
geschützten Pflanzensorte angebaut haben - den Sortenschutzinhabern auf entsprechende
Aufforderung relevante Informationen zu geben hätten, außer Verhältnis zum Ziel des
Schutzes des jeweiligen legitimen Interesses des Pflanzenzüchters und des Landwirts stehen
würde.
Da es aber zum einen für den Sortenschutzinhaber schwierig ist, seinen Auskunftsanspruch
durchzusetzen (in der Praxis ermöglicht die Untersuchung einer Pflanze nicht die Feststellung,
ob sie durch Verwendung des Ernteerzeugnisses oder durch den Erwerb von Saatgut gewonnen
wurde), und da zum anderen die jeweiligen legitimen Interessen des Pflanzenzüchters und des
Landwirts geschützt werden müssen, muss der Sortenschutzinhaber berechtigt sein, von
einem Landwirt Auskünfte zu verlangen, sobald er über einen Anhaltspunkt dafür verfügt,
dass dieser vom "Landwirteprivileg" Gebrauch gemacht hat.
Der Gerichtshof stellt fest, dass der Erwerb von Saatgut ein solcher Anhaltspunkt ist.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.
Diese Pressemitteilung ist in Französisch, Englisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch und
Niederländisch verfügbar.
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15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int
Mit Fragen wenden Sie sich bitte an Frau I. Phalippou, |