PRESSEMITTEILUNG N. 35/03
Das Assoziierungsabkommen EG-Slowakei steht der Anwendung einer von einem
Sportverband aufgestellten Regel entgegen, nach der slowakische Spieler nur beschränkt an
Meisterschafts- und Pokalspielen der Bundes- und Regionalligen teilnehmen können.
Der slowakische Staatsbürger Maros Kolpak spielt seit März 1997 als Torwart Handball beim
Zweitligisten TSV Östringen e.V. Er hat einen Arbeitsvertrag unterzeichnet, wohnt in
Deutschland und besitzt eine ordnungsgemäße Aufenthaltserlaubnis.
Der Deutsche Handballbund e.V., der die Meisterschafts- und Pokalspiele auf Bundesebene
ausrichtet, erteilte Herrn Kolpak einen mit dem Buchstaben "A" gekennzeichneten Spielausweis,
da er die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzt, dessen Angehörige keinen Anspruch auf
die im Rahmen des EG-Vertrags oder im Rahmen des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum (EWR) mit den gleichen Worten vorgesehene Gleichbehandlung haben.
Nach der vom Deutschen Handballbund aufgestellten Spielordnung können in Mannschaften der
Bundes- und Regionalligen bei Meisterschafts- oder Pokalspielen höchstens zwei Spieler mit
einem Spielausweis eingesetzt werden, der mit dem Buchstaben "A" gekennzeichnet ist.
Herr Kolpak beantragte die Erteilung eines Spielausweises ohne den Zusatz für Staatsangehörige
von Drittstaaten, da er der Ansicht ist, dass er aufgrund des in dem Assoziierungsabkommen
EG-Slowakei enthaltenen Diskriminierungsverbots Anspruch auf unbeschränkte Teilnahme an
den Wettkämpfen habe.
Das mit dem Rechtsstreit in der zweiten Instanz befasste Oberlandesgericht Hamm setzte den
Rechtsstreit aus, um den Gerichtshof im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens zu fragen,
ob das im Assoziierungsabkommen EG-Slowakei, wonach Arbeitnehmer slowakischer
Staatsangehörigkeit, die im Gebiet eines Mitgliedstaats rechtmäßig beschäftigt sind, hinsichtlich
der Arbeitsbedingungen, der Entlohnung oder der Entlassung wie die Angehörigen dieses
Mitgliedstaats zu behandeln sind, enthaltene Verbot der Diskriminierung aufgrund der
Staatsangehörigkeit einer von einem Sportverband aufgestellten Regel entgegensteht, wonach
die Vereine bei bestimmten Begegnungen nur eine begrenzte Anzahl von Spielern aus nicht zum
EWR gehörenden Drittstaaten aufstellen dürfen.
Hierzu stellt der Gerichtshof gestützt auf sein Urteil Pokrzeptowicz-Meyer, das kürzlich zur
Auslegung dieses Verbots im Rahmen des Assoziierungsabkommens Europäische
Gemeinschaften/Polen1 ergangenen ist, zunächst fest, dass die Bestimmung des Abkommens, die
das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit betrifft, unmittelbar anwendbar
ist. Slowakische Staatsangehörige können sich somit vor den nationalen Gerichten des
Aufnahmemitgliedstaats auf diese Bestimmung berufen.
Sodann erinnert der Gerichtshof daran, dass seinem Urteil Bosman2 zufolge das in den
Bestimmungen des EG-Vertrags über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer vorgesehene
Diskriminierungsverbot nicht nur für behördliche Maßnahmen, sondern auch für von
Sportverbänden aufgestellte Regeln gilt, die für Berufssportler die Voraussetzungen für die
Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit festlegen. Hierzu führt er - weiterhin gestützt auf sein
Urteil Pokrzeptowicz-Meyer - aus, dass zwar die fragliche Bestimmung des Abkommens keinen
Grundsatz der Freizügigkeit für slowakische Arbeitnehmer normiert, dass aber das in dem
Abkommen vorgesehene Diskriminierungsverbot auch für eine Regel gilt, die von einem
Sportverband wie dem Deutschen Handballbund aufgestellt wurde.
Schließlich beschreibt der Gerichtshof die Tragweite des Diskriminierungsverbots und
weist darauf hin, dass das Verbot jeder Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit
nur für slowakische Arbeitnehmer gilt, die im Gebiet eines Mitgliedstaats bereits
rechtmäßig beschäftigt sind, und nur hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, der Entlohnung
oder der Entlassung. Sie erstreckt sich nicht auf nationale Regeln über den Zugang zum
Arbeitsmarkt.
Insoweit stellt der Gerichtshof zum einen fest, dass Herr Kolpak auf der Grundlage eines
Arbeitsvertrags ordnungsgemäß beschäftigt ist, eine gültige Aufenthaltserlaubnis besitzt und nach
nationalem Recht keiner Arbeitserlaubnis bedarf, um seinen Beruf auszuüben. Zum anderen
erinnert er daran, dass seinem Urteil Bosman zufolge eine Regel, die die Anzahl der Profispieler
begrenzt, die an bestimmten Begegnungen teilnehmen können, nicht die Anstellung der
Profispieler betrifft, die nicht eingeschränkt wird, sondern die Möglichkeit für ihre Vereine, sie
für ein offizielles Spiel aufzustellen, und dass diese Spiele das wesentliche Ziel der Tätigkeit
dieser Spieler darstellen. Außerdem ist eine solche Regel diskriminierend und lässt sich nicht
durch sportliche Gründe rechtfertigen, die mit der Ausbildung von Nachwuchsspielern
zusammenhängen, die Angehörige des betreffenden Mitgliedstaats sind.
Der Gerichtshof gelangt daher zu dem Schluss, dass eine Regel wie die vom Deutschen
Handballbund aufgestellte die Arbeitsbedingungen betrifft und dass es eine durch das
Assoziierungsabkommen verbotene Diskriminierung darstellt, wenn die Möglichkeit für
slowakische Spieler, an bestimmten Begegnungen teilzunehmen, gegenüber Spielern, die
Angehörige der Mitgliedstaaten des EWR sind, beschränkt ist.
Eine solche Diskriminierung lässt sich nicht durch sportliche Erwägungen rechtfertigen (anders
als bei Begegnungen zwischen Nationalmannschaften, bei denen ausländische Spieler aus rein
sportlichen Gründen ausgeschlossen sind).
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.
Dieses Dokument liegt in deutscher, englischer, dänischer, spanischer, französischer,
italienischer und niederländischer Sprache vor.
Wegen des vollständigen Wortlauts des Urteils konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr
15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int .
Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou,
Filmaufnahmen von der Verkündung des Urteils sind verfügbar über "Europe by
Satellite", Europäische Kommission, Generaldirektion Presse und Information, |
1 Urteil vom 29. Januar 2002 in der Rechtssache C-162/00 (Pokrzeptowicz-Meyer).2 Urteil vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93 (Bosman).