PRESSEMITTEILUNG N. 42/03
DER GERICHTSHOF BESTÄTIGT DEN UMFANG DES SCHUTZES, DER DEM
KÄSE .GRANA PADANO UND DEM SCHINKEN .PROSCIUTTO DI PARMA
DURCH DIE GEMEINSCHAFTSREGELUNG GEWÄHRT WORDEN IST.
Im Interesse der Erhaltung der Qualität und des Ansehens des .Grana Padano und des
Parmaschinkens ist es gerechtfertigt, dass das Reiben bzw. Aufschneiden und das Verpacken
des Erzeugnisses im Erzeugungsgebiet zu erfolgen haben.
Eine Verordnung aus dem Jahr 1992 sieht einen gemeinschaftsweiten Schutz von
Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel
vor. Um eine geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) führen zu können, müssen die
Agrarerzeugnisse oder Lebensmittel einer Spezifikation entsprechen, die deren genaue Definition
enthält.
Die Kommission erließ 1996 eine Verordnung zur Eintragung geografischer Angaben und
geschützter Ursprungsbezeichnungen. Sie enthält u. a. die Eintragung des italienischen Käses
.Grana Padano und des italienischen Schinkens .Prosciutto di Parma. Die Spezifikation der
geschützten Ursprungsbezeichnung .Grana Padano verweist ausdrücklich auf das italienische
Recht, nach dem das Reiben und Verpacken im Erzeugungsgebiet zu erfolgen hat. Die
Spezifikation der geschützten Ursprungsbezeichnung .Prosciutto di Parma schreibt ausdrücklich
vor, dass das Aufschneiden und Verpacken im Erzeugungsgebiet stattfinden muss, und verweist
hierzu ebenfalls auf das italienische Recht.
- Das französische Unternehmen Ravil importiert, reibt, vorverpackt und vertreibt in
Frankreich u. a. den Käse .Grana Padano, den sie unter der Bezeichnung .Grana Padano
râpé frais (Frischer, geriebener Grana Padano) vermarktet. Das italienische
Unternehmen Biraghi, ein Erzeuger von .Grana Padano in Italien, und das französische
Unternehmen Bellon, Alleinimporteur und -vermarkter für die Erzeugnisse von Biraghi
in Frankreich, verlangen von Ravil, die Vermarktung einzustellen, und machen hierzu vor
den französischen Gerichten geltend, dass die Bezeichnung .Grana Padano nach
italienischem Recht nur verwendet werden dürfe, wenn das Reiben und Verpacken im
Erzeugungsgebiet erfolge. Die Cour de cassation hat dem Gerichtshof eine Frage nach
der Vereinbarkeit der italienischen Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht zur
Vorabentscheidung vorgelegt (Rechtssache C-469/00).
- Die Firma Asda verkauft in ihren Supermärkten im Vereinigten Königreich Schinken, der
die Bezeichnung .Parmaschinken führt. Asda bezieht den Schinken von der Firma
Hygrade, die ihn ihrerseits entbeint, aber ungeschnitten von einem italienischen Hersteller
bezieht, der Mitglied des Consorzio del Prosciutto di Parma ist. Hygrade schneidet den
Schinken im Vereinigten Königreich in Scheiben, füllt ihn in Packungen und versiegelt
diese. Das Consorzio del Prosciutto di Parma leitete im Vereinigten Königreich
gerichtliche Schritte gegen Asda und Hygrade ein und verlangte von ihnen, ihre
Tätigkeiten, die gegen die für Parmaschinken geltenden Verordnungen verstießen,
einzustellen. Das House of Lords hat dem Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung der
Gemeinschaftsverordnungen über die geschützte Ursprungsbezeichnung zur
Vorabentscheidung vorgelegt (Rechtssache C-108/01).
Der Gerichtshof führt zunächst aus, dass die Spezifikation den Umfang des einheitlichen
Schutzes festlegt, der mit der Verordnung von 1992 in der Gemeinschaft eingeführt worden ist.
Diese Verordnung schließt nicht aus, dass für Vorgänge, die zu verschiedenen
Vermarktungsformen desselben Erzeugnisses führen, besondere technische Regeln festgelegt
werden, damit den Qualitätskriterien Genüge getan und die Garantie für eine bestimmbare
geografische Herkunft geboten wird.
Folglich kann vorgeschrieben werden, dass das Reiben, Aufschneiden und Verpacken des
Erzeugnisses im Erzeugungsgebiet erfolgen muss, da die entsprechende Bedingung in der
Spezifikation vorgesehen ist.
Der Gerichtshof stellt auch fest, dass solche Voraussetzungen die Ausfuhrströme von Käse mit
der geschützten Ursprungsbezeichnung .Grana Padano und von Schinken mit der geschützten
Ursprungsbezeichnung .Prosciutto di Parma beschränken. Denn nur Grana Padano, der im
Erzeugungsgebiet gerieben und verpackt wird, und Parmaschinken, der im Erzeugungsgebiet in
Scheiben geschnitten und verpackt wird, dürfen weiterhin die jeweilige Ursprungsbezeichnung
führen. Die betreffenden Voraussetzungen stellen daher Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie
eine mengenmäßige Ausfuhrbeschränkung dar, die nach dem im EG-Vertrag vorgesehenen
Grundsatz des freien Warenverkehrs verboten sind.
Können sie gerechtfertigt sein?
Der Gerichtshof weist darauf hin, dass der EG-Vertrag aus Gründen wie dem Schutz des
gewerblichen und kommerziellen Eigentums Ausnahmen vom freien Warenverkehr vorsieht.
Er stellt fest, dass die Gemeinschaftsgesetzgebung die allgemeine Tendenz zeigt, im Rahmen der
gemeinsamen Agrarpolitik die Qualität der Erzeugnisse herauszustellen, um das Ansehen dieser
Erzeugnisse zu verbessern, u. a. durch die Verwendung geschützter Ursprungsbezeichnungen.
Dabei handelt es sich um Rechte des gewerblichen und kommerziellen Eigentums, die die
Inhaber gegen eine missbräuchliche Verwendung dieser Bezeichnungen durch Dritte schützen,
die aus dem Ansehen, das die Bezeichnungen erworben haben, einen Vorteil ziehen wollen.
Dadurch sollen sie gewährleisten, dass das betreffende Erzeugnis aus einem bestimmten
geografischen Bereich stammt und bestimmte besondere Eigenschaften aufweist, die vom
Verbraucher sehr geschätzt werden.
Folglich sind die in den Spezifikationen für Grana Padano und Parmaschinken aufgestellten
Voraussetzungen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, sofern sie zum Schutz der geschützten
Ursprungsbezeichnungen .Grana Padano und .Prosciutto di Parma erforderlich und
verhältnismäßig sind.
Wie der Gerichtshof hervorhebt, handelt es sich beim Reiben des Käses und beim
Aufschneiden des Schinkens sowie beim Verpacken dieser Erzeugnisse um wichtige
Vorgänge, die die Qualität mindern, die Echtheit gefährden, und folglich dem Ansehen der
geschützten Ursprungsbezeichnung schaden können, wenn die betreffendenVoraussetzungen nicht erfüllt sind. Denn die Spezifikationen für Grana Padano und
Parmaschinken legen genaue und strenge Kontrollen und Maßnahmen fest, um das Ansehen
dieser beiden Erzeugnisse zu erhalten.
Die geschützten Ursprungsbezeichnungen dieser Erzeugnisse wären nicht in vergleichbarer
Weise durch eine den außerhalb des Erzeugungsgebiets ansässigen Wirtschaftsteilnehmern
auferlegte Pflicht geschützt, die Verbraucher durch eine geeignete Etikettierung zu
informieren, aus der hervorgeht, dass das Reiben, Aufschneiden und Verpacken außerhalb
dieser Region durchgeführt worden ist. Es stehen daher keine anderen, weniger
einschneidenden Maßnahmen zur Erreichung des angestrebten Ziels zur Verfügung.
Der Gerichtshof stellt jedoch fest, dass sich der durch eine geschützte Ursprungsbezeichnung
gewährte Schutz gewöhnlich nicht auf Vorgänge wie das Reiben, Aufschneiden und Verpacken
des Erzeugnisses erstreckt. Diese Vorgänge sind Dritten außerhalb des Erzeugungsgebiets
nur untersagt, wenn dies ausdrücklich in der Spezifikation vorgesehen ist. Nach dem
Grundsatz der Rechtssicherheit ist eine angemessene Bekanntmachung dieser Verbote -
durch Erwähnung in der Verordnung von 1996 - erforderlich, um sie Dritten zur Kenntnis zu
bringen. Ohne eine solche Bekanntmachung können die betreffenden Verbote nicht vor einem
nationalen Gericht geltend gemacht werden.
das das Gericht nicht bindet.
Dieses Dokument liegt in allen Amtssprachen vor.
Wegen des vollständigen Wortlauts der Urteile konsultieren Sie bitte unsere Homepage
im Internet www.curia.eu.int heute ab ca. 15 Uhr.
Mit Fragen wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou,
Aufnahmen der Urteilsverkündung sind auf "Europe by Satellite" verfügbar, |