PRESSEMITTEILUNG N. 54/03
Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-34/02
DIE GEMEINSCHAFTSGRUNDSÄTZE DER ÄQUIVALENZ UND DER
EFFEKTIVITÄT VERPFLICHTEN DAS INPS, DEN GUTEN GLAUBEN DES
RENTNERS ZU BERÜCKSICHTIGEN UND REGELMÄßIG EINMAL JÄHRLICH
DIE SITUATION DER IM RUHESTAND BEFINDLICHEN ABGEWANDERTEN
ARBEITNEHMER ZU PRÜFEN.
Der rückforderbare Betrag darf höchstens den Beträgen entsprechen, die ein Jahr lang
rechtsgrundlos bezogen wurden.
Ferner ist vorgesehen, dass die im Rahmen des allgemeinen Pflichtversicherungssystems
gezahlten Renten vom zahlenden Träger berücksichtigt und nach Unterrichtung des Betroffenen
jederzeit berichtigt oder zurückgefordert werden können, wenn bei der Bewilligung oder der
Auszahlung der Renten ein Fehler unterlaufen ist.
Herr Sante Pasquini, der gegenwärtig in Luxemburg wohnt, arbeitete nacheinander 140 Wochen
in Italien, 336 Wochen in Frankreich und 1 256 Wochen in Luxemburg.
1987, nach Vollendung seines 60. Lebensjahres, wurde ihm vom INPS (Istituto nazionale della
previdenza sociale) eine Altersrente bewilligt, die bis zur Höhe der in Italien vorgeschriebenen
Mindestrente aufgestockt wurde, da er seinerzeit weder eine französische noch eine
luxemburgische Rente bezog.
Im Juli 1988 berechnete das INPS die bewilligte Rente neu und kürzte sie wegen der Bewilligung
einer anteiligen französischen Rente.
Ebenfalls 1988 bewilligte der luxemburgische Rentenversicherungsträger eine Altersrente,
unterrichtete das INPS davon jedoch verspätet (im November 1999).
Im Jahr 2000 berechnete das INPS auf der Grundlage dieser Angaben die italienische Rente neu
und kürzte sie rückwirkend vom 1. Juli 1988. Zum Ausgleich der rechtsgrundlos gezahlten
Beträge (29 000 Euro) stellte das INPS die Auszahlung der Rente vollständig ein.
Herr Pasquini erhob Klage beim Tribunale di Roma, Abteilung für arbeitsrechtliche
Streitigkeiten, und wandte sich gegen die italienische Regelung für die Rückzahlung
rechtsgrundlos gezahlter Beträge mit der Begründung, diese verstoße gegen die
Gemeinschaftsverordnungen über den Schutz der Arbeitnehmer.
Ist eine nationale Rechtsvorschrift, die keine Befristung der Rückforderung rechtsgrundlos
gezahlter Beträge vorsieht, mit der Gemeinschaftsverordnung über die Systeme der sozialen
Sicherheit der Arbeitnehmer1 vereinbar? Kann die (in dieser Verordnung) vorgesehene Frist von
zwei Jahren für die rückwirkende Geltendmachung von Ansprüchen in Fällen, in denen die
Verordnungen zugunsten der Arbeitnehmer geändert wurden, angewandt werden?
Der Gerichtshof stellt zunächst klar, dass die Frist von zwei Jahren nicht entsprechend angewandt
werden könne, da es sich um Übergangsregelungen handele, die nur für Änderungen der
Verordnung vorgesehen seien.
Sodann weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Verordnung von 1971 über die Systeme der
sozialen Sicherheit die Koordinierung (nicht die Harmonisierung) der einschlägigen nationalen
Rechtsvorschriften bezwecke: Insbesondere bei der Berechnung der Verjährung für die
Rückforderung rechtsgrundlos gezahlter Beträge sei das nationale Recht der Mitgliedstaaten
anwendbar.
Bei einem Wanderarbeitnehmer müssten die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Befugnis
das Gemeinschaftsrecht, insbesondere die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität,
beachten. Die Verfahren zur Regelung der Ansprüche aufgrund einer im Vertrag vorgesehenen
Freiheit dürften nicht weniger günstig gestaltet werden als die Verfahren zur Behandlung
innerstaatlicher Sachverhalte. Sie dürften die Ausübung der durch den Vertrag verliehenen
Rechte nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren.
Wenn eine nationale Bestimmung existiere, wonach wegen des Zusammentreffens mehrerer
Renten rechtsgrundlos gezahlte Beträge von einem gutgläubigen Rentner nicht zurückgefordert
werden dürften, so sei diese Bestimmung auf Herrn Pasquini anzuwenden. Bei italienischen
Renten aufgrund verschiedener Systeme des nationalen Rechts existiere eine Bestimmung des
italienischen Rechts, die das INPS verpflichte, die Einkünfte der Rentner und ihre Auswirkung
auf den Anspruch oder den Betrag von Rentenleistungen einmal jährlich zu prüfen. Hätte das
INPS die den Wanderarbeitnehmern gezahlten Renten nach dem gleichen Verfahren wie bei den
nationalen Systemen überprüft, so wäre die Rückforderung rechtsgrundlos gezahlter Beträge auf
alle Fälle auf einen Zeitraum von einem Jahr begrenzt worden.
(Unerheblich sei, dass der luxemburgische Träger das INPS von der Bewilligung seiner Rente
verspätet unterrichtet habe: Die Pflicht zur unverzüglichen Unterrichtung solle nur die
Beziehungen zwischen den Trägern der sozialen Sicherheit regeln und nicht die Ansprüche der
Betroffenen gegen die Träger festlegen.)
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1Verordnung Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971.