Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG N. 58/03


9. Juli 2003

Urteile des Gerichts erster Instanz in den Rechtssachen T-220/00, T-223/00, T-224/00 und T-230/00

Cheil Jedang Corporation u. a. / Kommission der Europäischen Gemeinschaften

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ ERLÄUTERT IN EINEM KARTELLFALL AUF DEM LYSINMARKT DIE KRITERIEN FÜR DIE BEMESSUNG VON GELDBUSSEN

Das Gericht setzt die von der Europäischen Kommission verhängten Geldbußen um insgesamt 7 316 760 Euro herab.

Lysin ist die wichtigste Aminosäure, die im Tierfutter zu Ernährungszwecken verwendet wird. Synthetisches Lysin wird als Zusatzstoff in Futtermitteln verwendet, die nicht genug natürliches Lysin enthalten, z. B. Getreide, um es Ernährungsfachleuten zu erlauben, Futtermittel auf Proteinbasis zusammenzustellen, die dem Ernährungsbedarf der Tiere entsprechen.

1995 wurden nach einer geheimen Untersuchung durch das Federal Bureau of Investigation in den Vereinigten Staaten die Geschäftsräume mehrerer auf dem Lysinmarkt tätiger Unternehmen durchsucht. Infolge dieser Ermittlungen wurde den Unternehmen Archer Daniels Midland, Kyowa Hakko Kogyo, Sewon, Cheil Jedang und Ajinomoto von den amerikanischen Behörden vorgeworfen, von Juni 1992 bis Juni 1995 ein Kartell gebildet zu haben, das die Lysinpreise festgesetzt und die Verkaufsmengen für Lysin aufgeteilt habe.

Im Juli 1996 bot die Ajinomoto der Europäischen Kommission ihre Zusammenarbeit bei der Ermittlung des Bestehens eines Kartells auf dem Lysinmarkt und seiner Auswirkungen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) an. Die Kommission verlangte von den betroffenen Unternehmen Auskunft über deren Verhalten auf dem Aminosäuremarkt und die Kartellzusammenkünfte.


Mit Entscheidung vom 7. Juni 2000 stellte die Kommission fest, dass es von Juli 1990 bis Juni 1995 eine Reihe von Absprachen über Preise, Absatzmengen und den Austausch von Informationen über Verkaufsmengen von synthetischem Lysin für das Gebiet des gesamten EWR gegeben habe.

In dieser Entscheidung folgte die Kommission der Vorgehensweise, die in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates festgesetzt werden, beschrieben wird.

Sie ging zunächst davon aus, dass die Unternehmen eine besonders schwere Zuwiderhandlung begangen hatten, behandelte sie aber differenziert, da sie auf der Grundlage ihres jeweiligen Gesamtumsatzes im letzten Jahr des Zeitraums der Zuwiderhandlung zu der Auffassung gelangte, dass erhebliche Unterschiede in der Größe dieser Unternehmen beständen. Nach der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigte die Kommission anschließend deren Dauer und bestimmte so den Grundbetrag der Geldbuße für jedes Unternehmen, den sie nach Maßgabe erschwerender oder mildernder Umstände, wie der Führungsrolle oder umgekehrt der passiven Rolle eines Unternehmens innerhalb des Kartells, erhöhte und/oder herabsetzte.

Insgesamt verhängte die Kommission in ihrer Entscheidung gegen die am Kartell beteiligten Unternehmen Geldbußen in Höhe von etwa 110 Millionen Euro.


Mit ihren Klagen beim Gericht erster Instanz haben sich die Unternehmen Archer Daniels Midland, Kyowa Hakko Kogyo, Daesang-Sewon und Cheil Jedang gegen das Verfahren zur Festsetzung der Geldbußen gewandt, wobei zwei von ihnen unter anderem geltend gemacht haben, dass sie für ihre Beteiligung an demselben weltweiten Kartell bereits in den Vereinigten Staaten bestraft worden seien, was die Kommission außer Acht gelassen habe.

Das Gericht ist der Ansicht, dass im vorliegenden Fall der Grundsatz ne bis in idem, wonach niemand, der bereits verurteilt worden ist, wegen derselben Tatsache nochmals verfolgt oder bestraft werden darf, keine Anwendung finde, da die von der Kommission einerseits und von den Behörden eines Drittstaats, der Vereinigten Staaten, andererseits betriebenen Verfahren und verhängten Sanktionen nicht denselben Zielen dienten. Auch wenn es ein Gebot der Billigkeit sei, dass die Kommission bei der Bemessung einer Geldbuße den Sanktionen Rechnung tragen müsse, die gegen das betreffende Unternehmen bereits wegen Verstoßes gegen das Kartellrecht eines Mitgliedstaats verhängt worden seien, sei die Kommission dazu doch nicht verpflichtet, wenn die bereits verhängten Sanktionen von Behörden oder Gerichten eines Drittstaats herrührten.

Das Gericht stellt ferner fest, dass die Kommission die Herabsetzungen wegen mildernder Umstände gegenüber den betroffenen Unternehmen nicht in der gleichen Weise vorgenommen habe.

Es befindet, dass die wegen erschwerender oder mildernder Umstände festgesetzten prozentualen Erhöhungen oder Herabsetzungen an dem nach Maßgabe der Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung ermittelten Grundbetrag der Geldbuße vorzunehmen seien und nicht an dem Betrag einer zuvor wegen der Dauer der Zuwiderhandlung erfolgten Erhöhung oder an dem Betrag, der aus einer ersten Erhöhung oder Herabsetzung wegen eines erschwerenden oder mildernden Umstands resultiere. Diese Methode zur Berechnung von Geldbußen gewährleiste die Gleichbehandlung verschiedener Unternehmen, die am selben Kartell beteiligt seien.


Rechts- sache   Klägerinnen/ Euro- päische Kommission   Höhe der von der Kommission verhängten Geldbußen (Entscheidung 2001/418/EG) (Euro)   Urteil des Gerichts erster Instanz
(Euro)  
T-220/00   Cheil Jedang Corporation   12 200 000   Herabsetzung der Geldbuße auf 10 080 000  
T-223/00   Kyowa Hakko Kogyo Co. Ltd
Kyowa Hakko Europe GmbH  
13 200 000   Aufrechterhaltung der ursprünglichen Geldbuße  
T-224/00   Archer Daniels Midland Company
Archer Daniels Midland Ingredients Ltd  
47 300 000   Herabsetzung der Geldbuße auf 43 875 000  
T-230/00   Daesang Corporation
Sewon Europe GmbH  
8 900 000   Herabsetzung der Geldbuße auf 7 128 240  
  Insgesamt   81 600 000   74 283 240  

Hinweis: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann binnen zwei Monaten nach ihrer Verkündung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eingelegt werden.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das das Gericht erster Instanz nicht bindet.

Dieses Dokument ist in Deutsch, Englisch und Französisch verfügbar.

Wegen des vollständigen Wortlauts der Urteile konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int .

Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou,
Tel.: (00352) 4303 3255; Fax: (00352) 4303 2734.