PRESSEMITTEILUNG N. 61/03
Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-246/00
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich der Niederlande
NACH AUFFASSUNG DES GERICHTSHOFES VERSTÖSST DAS
NIEDERLÄNDISCHE RECHT, DAS EIN SYSTEM DER OBLIGATORISCHEN
REGISTRIERUNG IN ANDEREN MITGLIEDSTATEN AUSGESTELLTER
FÜHRERSCHEINE NACH DER NIEDERLASSUNG DES INHABERS IN DEN
NIEDERLANDEN VORSIEHT, GEGEN DAS GEMEINSCHAFTSRECHT
Diese Registrierung geht über das hinaus, was erforderlich ist, um die Sicherheit des
Straßenverkehrs zu gewährleisten
Nach niederländischem Recht muss der Führer eines Kraftfahrzeugs einen von den
niederländischen Behörden ausgestellten Führerschein besitzen. Diese Verpflichtung gilt - für
einen bestimmten Zeitraum - nicht für in den Niederlanden wohnende Führer eines
Kraftfahrzeugs, die Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins
sind. Wurde der Führerschein registriert, entspricht dieser Zeitraum der dabei festgelegten
Gültigkeitsdauer des Führerscheins in den Niederlanden; fehlt es an einer Registrierung, so
beträgt er vom Tag der Niederlassung des Inhabers in den Niederlanden an ein Jahr. Beim Führen
eines Fahrzeugs ohne Führerschein, mit einem nicht mehr gültigen Führerschein oder einem
Führerschein, der nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt, droht eine strafrechtliche oder
verwaltungsrechtliche Sanktion.
Die Kommission beantragt, festzustellen, dass die Niederlande gegen ihre Verpflichtung zur
gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen nach der Gemeinschaftsrichtlinie verstoßen
haben, indem sie dieses obligatorische Verfahren der Registrierung in den anderen
Mitgliedstaaten ausgestellter Führerscheine eingeführt haben und deren Gültigkeitsdauerausgehend vom Datum ihrer Ausstellung und nicht vom Datum der Niederlassung in den
Niederlanden berechnen.
Der Gerichtshof erinnert zunächst daran, dass die gegenseitige Anerkennung in anderen
Mitgliedstaaten ausgestellter Führerscheine ohne jede Formalität erfolgen müsse und die
Mitgliedstaaten nicht über einen Ermessensspielraum in Bezug auf die Maßnahmen verfügten,
die zu erlassen seien, um dieser Verpflichtung nachzukommen. Sobald die Registrierung eines
von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins dadurch obligatorisch werde, dass
dem Inhaber dieses Führerscheins eine Sanktion drohe, wenn er nach seiner Niederlassung ein
Fahrzeug führe, ohne dass er seinen Führerschein habe registrieren lassen, sei diese Registrierung
als eine solche Formalität anzusehen und verstoße demnach gegen die Richtlinie.
Nach Auffassung des Gerichtshofes darf die Anwendung einzelstaatlicher Rechtsvorschriften
die Inanspruchnahme der Freizügigkeit und die Ausübung der Niederlassungsfreiheit
durch die Gemeinschaftsangehörigen nicht behindern oder weniger attraktiv machen, und
diese Maßnahmen müssen, falls sie dies gleichwohl bewirken, ohne Diskriminierung angewandt
werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie
müssen geeignet sein, die Verwirklichung des verfolgten Zwecks zu gewährleisten, und sie
dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich ist.
Die niederländische Maßnahme, die unterschiedslos auf niederländische Staatsangehörige wie
auf solche der anderen Mitgliedstaaten anwendbar sei, könne durch zwingende Gründe des
Allgemeininteresses in Bezug auf die Straßenverkehrssicherheit gerechtfertigt werden, und
sie erscheine geeignet, die Verwirklichung des verfolgten Zwecks zu gewährleisten. Sie sei
jedoch nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar.
Erstens könnten die niederländischen Behörden bei Straßenverkehrskontrollen die
einzelstaatlichen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Gültigkeitsdauer der
Führerscheine korrekt anwenden, indem sie zu dem Ausstellungsdatum, das auf dem in
den Niederlanden nicht registrierten Führerschein genannt sei, zehn Jahre hinzurechneten.
Um den zuständigen Behörden die Prüfung zu ermöglichen, ob die einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften eingehalten worden seien, würde es zweitens genügen, die Inhaber in
anderen Mitgliedstaaten ausgestellter Führerscheine über ihre sich aus dem nationalen
Recht ergebenden Verpflichtungen in Kenntnis zu setzen, wenn sie die erforderlichen
Schritte unternähmen, um sich in den Niederlanden niederzulassen, und die im Fall der
Nichtbeachtung der betreffenden Bestimmungen vorgesehenen Sanktionen anzuwenden.
Was die Schwerfälligkeit des Registrierungsverfahrens betreffe, so müsse der Inhaber des von
einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins nach diesem Verfahren gegenüber den
niederländischen Behörden den Nachweis dafür erbringen, dass er die in der
Gemeinschaftsrichtlinie vorgesehenen Bedingungen für die Ausstellung erfüllt habe. Nach
Auffassung des Gerichtshofes ist der Besitz eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten
Führerscheins als ein solcher Nachweis anzusehen und verstößt der Aufnahmemitgliedstaat
gegen den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen, wenn er von diesem
Inhaber einen erneuten Nachweis verlangt.
In Bezug auf die Gültigkeitsdauer eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten
Führerscheins in den Niederlanden gelangt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die für
deren Berechnung und damit zur Feststellung des Datums, von dem an die Inhaber den
Anforderungen gemäß den nationalen Bestimmungen des Aufnahmemitgliedstaats entsprechen
müssten, gewählte Methode, wonach die Gültigkeit ab dem Tag der Ausstellung des betreffenden
Führerscheins läuft, nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von
Führerscheinen angesehen werden könne.
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1 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 (ABl. L 237, S. 1) in der durch die Richtlinie 96/47/EG des Rates vom 23. Juli 1996 (ABl. L 235, S. 1) geänderten Fassung.