PRESSEMITTEILUNG N. 64/03
Altmark Trans GmbH, Regierungspräsidium Magdeburg / Nahverkehrsgesellschaft Altmark
GmbH
DER GERICHTSHOF ENTSCHEIDET, DASS EIN FINANZIELLER AUSGLEICH,
DER NUR DIE GEGENLEISTUNG FÜR VON DEN MITGLIEDSTAATEN
AUFERLEGTE GEMEINWIRTSCHAFTLICHE PFLICHTEN BILDET, NICHT DIE
MERKMALE EINER STAATLICHEN BEIHILFE AUFWEIST
Der deutsche Gesetzgeber hatte zunächst von der in der Gemeinschaftsverordnung eröffneten
Möglichkeit, Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdienste von der Anwendung dieser
Verordnung auszunehmen, ausdrücklich Gebrauch gemacht. Seit 1996 sieht das deutsche Recht
ausdrücklich vor, dass örtliche und regionale Verkehrsdienste in bestimmten Fällen der
Verordnung unterliegen.
Das Unternehmen Altmark Trans erhielt 1990 Genehmigungen und Zuschüsse für den Linienverkehr mit Omnibussen im Landkreis Stendal. 1994 erteilten die deutschen Behörden Altmark Trans neue Genehmigungen und lehnten den Antrag der Nahverkehrsgesellschaft Altmark auf Erteilung von Genehmigungen ab. Die Nahverkehrsgesellschaft Altmark erhob Klage bei den deutschen Gerichten mit der Begründung, Altmark Trans sei nicht leistungsfähig, da sie ohne öffentliche Zuschüsse nicht hätte überleben können; die Genehmigungen seien deshalb rechtswidrig.
Das letztinstanzlich angerufene Bundesverwaltungsgericht hat den Gerichtshof dazu befragt,
. ob die Zuschüsse des Landkreises Stendal an Altmark Trans nach dem EG-Vertrag
verbotene staatliche Beihilfen darstellen und
. ob die deutschen Behörden anordnen können, dass eigenwirtschaftlich erbrachte
Regionalverkehrsdienste nicht unter die Verordnung von 1969 über die Verpflichtungen
des öffentlichen Dienstes fallen.
Zur ersten Frage:
Der Gerichtshof weist darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung eine staatliche Maßnahme
nur dann eine staatliche Beihilfe im Sinne des EG-Vertrags sein könne, wenn sie als Vorteil
für das begünstige Unternehmen angesehen werden könne, den dieses unter normalen
Marktbedingungen nicht erhalten hätte.
Ein solcher Vorteil liege aber nicht vor, wenn eine staatliche finanzielle Maßnahme als
Ausgleich anzusehen sei, der die Gegenleistung für Leistungen bilde, die von den
Unternehmen, denen die Maßnahme zugute komme, zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher
Verpflichtungen erbracht würden.
Ein derartiger Ausgleich sei im konkreten Fall allerdings nur dann keine staatliche Beihilfe,
wenn vier Voraussetzungen erfüllt seien.
Erstens müsse das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung
gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut sein, und diese Verpflichtungen müssten klar
definiert sein
Zweitens seien die Parameter, anhand deren der Ausgleich berechnet werde, zuvor objektiv und
transparent aufzustellen.
Drittens dürfe der Ausgleich nicht über das hinausgehen, was erforderlich sei, um die Kosten
der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei
erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns ganz oder teilweise zu decken.
Viertens sei die Höhe des Ausgleichs, wenn die Auswahl nicht im Rahmen eines Verfahrens zur
Vergabe öffentlicher Aufträge erfolge, im Vergleich mit den Kosten zu bestimmen, die ein
durchschnittliches Verkehrsunternehmen zu tragen hätte (unter Berücksichtigung der Einnahmen
und des angemessenen Gewinns aus der Erfüllung seiner Verpflichtungen).
Nur wenn diese vier Voraussetzungen erfüllt seien, könne davon ausgegangen werden, dass
ein Unternehmen in Wirklichkeit keinen finanziellen Vorteil erhalten habe, der bewirken
würde, dass es gegenüber den mit ihm im Wettbewerb stehenden Unternehmen in eine
günstigere Wettbewerbsstellung gelangen würde, und der Ausgleich daher nicht den
Charakter einer staatlichen Beihilfe im Sinne des EG-Vertrags habe.
Zur zweiten Frage:
Das vorlegende Gericht habe in dem bei ihm anhängigen Fall allerdings nur dann zu prüfen,
ob die in Rede stehenden Zuschüsse im Einklang mit den Bestimmungen des EG-Vertrags über
staatliche Beihilfen gewährt worden seien, wenn es zu dem Ergebnis gelange, dass die fragliche
Gemeinschaftsverordnung in Deutschland nicht anwendbar sei. Mit anderen Worten, wenn die
Gemeinschaftsverordnung hier anwendbar sei, brauche nicht auf die allgemeinen Bestimmungen
des EG-Vertrags zurückgegriffen werden.
Der deutsche Gesetzgeber könne von der in der Gemeinschaftsverordnung vorgesehenen
Ausnahme für den Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr grundsätzlich auch teilweise Gebrauch
machen, da er sich dadurch den Zielen der Verordnung annähere. Ein Mitgliedstaat könne dies
aber nur dann, wenn der Grundsatz der Rechtssicherheit gewahrt sei, was voraussetze, dass
im deutschen Recht klar festgelegt sei, in welchem Umfang von dieser Ausnahme Gebrauch
gemacht werde, damit festgestellt werden könne, in welchem Fall diese Ausnahme gelte und in
welchem Fall die Gemeinschaftsverordnung anwendbar sei.
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Mit Fragen wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou,
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1 Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 des Rates vom 26. Juni 1969 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1893/91 des Rates vom 20. Juni 1991.