Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG N. 65/03

24. Juli 2003

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-39/03 P

Europäische Kommission / Artegodan GmbH und 15 andere

DER GERICHTSHOF BESTÄTIGT DIE NICHTIGERKLÄRUNG VON ENTSCHEIDUNGEN DER KOMMISSION, MIT DENEN DIE RÜCKNAHME VON GENEHMIGUNGEN FÜR DAS INVERKEHRBRINGEN VON ARZNEIMITTELN GEGEN FETTLEIBIGKEIT ANGEORDNET WURDE, DURCH DAS GERICHT

Die Kommission war für den Erlass der betreffenden Entscheidungen nicht zuständig.


Nach dem Gemeinschaftsrecht dürfen Humanarzneimittel in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt hat. Durch eine Richtlinie von 19931, mit der eine Richtlinie von 1975 geändert wurde, wurden ein Verfahren zur gegenseitigen Anerkennung nationaler Genehmigungen für das Inverkehrbringen und die Möglichkeit geschaffen, in Fällen von Gemeinschaftsinteresse ein Gutachten des Ausschusses für Arzneispezialitäten (im Folgenden: Ausschuss) einzuholen. Ferner sieht die Richtlinie vor, dass ein Mitgliedstaat, wenn er der Ansicht ist, dass die Änderung der Bedingungen für eine gemäß der Richtlinie erteilte Genehmigung oder deren Aussetzung oder Rücknahme zum Schutz der öffentlichen Gesundheit erforderlich ist, diese Angelegenheit unverzüglich an den Ausschuss verweist. Der Ausschuss gibt dann ein begründetes Gutachten ab, und anschließend erstellt die Kommission eine Entscheidung.

Artegodan und 15 andere Pharma-Unternehmen verfügen in Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Luxemburg, Österreich, Portugal und Spanien über nationale Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die amphetaminartige Anorektika enthalten (Amfepramon, Clobenzorex, Fenproporex, Norpseudoephedrin und Phentermin). DieseStoffe beschleunigen das Sättigungsgefühl und werden in bestimmten Mitgliedstaaten seit vielen Jahren im Rahmen der Behandlung von Fettleibigkeit eingesetzt.

Auf Initiative Deutschlands erstattete der Ausschuss im Jahr 1996 ein Gutachten zu verschiedenen Anorektika. Mit einer Entscheidung von 1996 gab die Kommission im Einklang mit diesem Gutachten den betroffenen Mitgliedstaaten auf, bestimmte klinische Angaben in Bezug auf die Genehmigungen für das Inverkehrbringen dieser Arzneimittel zu ändern.

Mit drei Entscheidungen vom 9. März 2000 ordnete die Kommission die Rücknahme der Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Humanarzneimitteln an, die die genannten Anorektika enthalten. Der Ausschuss hatte im Jahr 1999 in drei Gutachten die Ansicht vertreten, dass diese Stoffe nach dem neuen wissenschaftlichen Kriterium der Langzeitwirkung von Arzneimitteln zur Behandlung von Fettleibigkeit unwirksam seien.

Die Genehmigungen für das Inverkehrbringen der fraglichen Arzneimittel wurden daher von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ausgesetzt oder zurückgenommen.

Die betroffenen Pharma-Unternehmen beantragten beim Gericht erster Instanz die Nichtigerklärung dieser Entscheidungen der Kommission; das Gericht gab ihren Klagen mit Urteil vom 26. November 2002 statt, weil die Kommission für den Erlass der Entscheidungen nicht zuständig gewesen sei2.

Die Kommission legte am 3. Februar 2003 beim Gerichtshof ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil ein; der Gerichtshof behandelte die Rechtssache im beschleunigten Verfahren.

Der Gerichtshof weist das Rechtsmittel zurück.

Er führt zunächst aus, dass die fraglichen Genehmigungen für das Inverkehrbringen ursprünglich im Rahmen rein nationaler Verfahren und nicht gemäß der Richtlinie von 1975 erteilt worden seien.

Ferner stellt er fest, dass die Änderung bestimmter Teile der nationalen Genehmigungen für das Inverkehrbringen durch die Entscheidung der Kommission von 1996 einer gemäß den Bestimmungen der Richtlinie von 1975 erteilten Genehmigung nicht gleichgestellt werden könne. Folglich könnten sie nicht durch eine gemäß dem Verfahren, das in dieser Richtlinie für auf ihrer Grundlage erteilte Genehmigungen vorgesehen sei, ergangene Entscheidung zurückgenommen werden. Daher sei die Kommission für den Erlass der streitigen Entscheidungen nicht zuständig gewesen, so dass diese für nichtig zu erklären seien.



Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.

Dieses Dokument ist in französischer, englischer, italienischer, dänischer und deutscher Sprache verfügbar.

Wegen des vollständigen Wortlauts des Urteils konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int .

Mit Fragen wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou,
Tel.: (0 03 52) 43 03-32 55 . Fax: (0 03 52) 43 03-27 34.


    1 Richtlinie 93/39/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Änderung u. a. der Zweiten Richtlinie 75/319/EWG des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten.    2 Vgl. Pressemitteilung Nr. 94/02.