Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG NR. 82/03

2. Oktober 2003

Urteile des Gerichtshofes in den „Stahlträger“-Rechtssachen C-176/99 P u. a.

Arbed u.a. / Kommission

DER GERICHTSHOF WEIST SECHS DER ACHT VON STAHLUNTERNEHMEN UND IHRER WIRTSCHAFTSVEREINIGUNG EUROFER GEGEN IHRE VERURTEILUNG WEGEN KARTELLVERSTOSSES EINGELEGTEN RECHTSMITTEL ZURÜCK

Der Gerichtshof hebt zwei Urteile des Gerichts auf, das Urteil in Bezug auf die ARBED SA in vollem Umfang und das Urteil in Bezug auf die Siderúrgica Aristrain Madrid SL teilweise




In einer Entscheidung von 1994 stellte die Kommission die Beteiligung von 17 europäischen Stahlunternehmen und ihrer Wirtschaftsvereinigung Eurofer an einer Reihe von Vereinbarungen, Beschlüssen und verabredeten Praktiken zur Festsetzung von Preisen, zur Marktaufteilung und zum Austausch vertraulicher Informationen auf dem Gemeinschaftsmarkt für die im Stahlbau benötigten Träger fest. Sie verhängte daher gegen 14 dieser Unternehmen Geldbußen mit einem Gesamtbetrag von über 104 000 000 ECU.
Zehn Unternehmen und Eurofer beantragten beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften die Nichtigerklärung dieser Entscheidung und/oder die Herabsetzung ihrer Geldbuße.
In Urteilen von 1999 bestätigte das Gericht im Wesentlichen die Entscheidung der Kommission, setzte die individuellen Geldbußen jedoch um 9 % bis 33% herab.
Sieben Unternehmen sowie Eurofer beantragten beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Aufhebung der Urteile des Gerichts.
Der Gerichtshof weist heute die Rechtsmittel der Salzgitter AG, der Thyssen Stahl AG, der Krupp Hoesch Stahl AG, der Empresa Nacional Siderúrgica SA und der Corus UK Ltd sowie von Eurofer zurück.
Dagegen hebt der Gerichtshof das Urteil des Gerichts in Bezug auf das luxemburgische Unternehmen ARBED SA in vollem Umfang auf und erklärt die Entscheidung der Kommission für nichtig, soweit sie dieses Unternehmen betrifft.
Die ARBED SA hatte vor dem Gericht geltend gemacht, nachdem die Kommission ihrer Tochtergesellschaft TradeARBED die dieser zur Last gelegten Beschwerdepunkte mitgeteilt habe, habe sie die Entscheidung gegenüber der Muttergesellschaft ARBED SA erlassen, ohne diese zuvor über ihre Absicht oder ihre Gründe zu informieren und ohne dieser Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Vorbringen dazu habe das Gericht zu Unrecht zurückgewiesen.
Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Wahrung der Verteidigungsrechte in allen Verfahren, die zu Sanktionen (Geldbußen oder Zwangsgeldern) führen könnten, einen fundamentalen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts darstelle. Dieser Grundsatz verlange insbesondere, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte, die die Kommission an ein Unternehmen richte, gegen das sie eine Sanktion wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln verhängen wolle, die wesentlichen diesem Unternehmen zur Last gelegten Gesichtspunkte enthalte, damit es sich sachgerecht äußern könne.
In der Mitteilung der Beschwerdepunkte müsse eindeutig angegeben werden, gegen welche juristische Person eine Sanktion verhängt werden könne, und sie müsse an diese gerichtet werden.

Der Gerichtshof hebt das Urteil des Gerichts in Bezug auf das spanische Unternehmen Siderúrgica Aristrain Madrid SL teilweise auf und verweist die Rechtssache an das Gericht zurück.
Bei den Aristrain-Gesellschaften handelt es sich nach den Angaben in der Entscheidung der Kommission um „stahlerzeugende Unternehmen der Aristrain-Gruppe, deren Aktien sich im Besitz der Familie Aristrain befinden“. Die Kommission hatte in ihrer Entscheidung Folgendes festgestellt: „Im Fall der beiden Aristrain-Unternehmen, von denen beide Träger herstellen, wird die Entscheidung an eines von ihnen gerichtet, nämlich an Siderúrgica Aristrain Madrid S.L. ... Die festgesetzte Geldbuße trägt auch dem Verhalten von Siderúrgica Aristrain Olaberría S.L. … Rechnung.“ Die Geldbuße wurde daher unter Einbeziehung auch des Umsatzes der letztgenannten Gesellschaft berechnet.
Der Gerichtshof weist darauf hin, dass das wettbewerbswidrige Verhalten eines Unternehmens einem anderen Unternehmen nur dann zugerechnet werden könne, wenn das erstgenannte Unternehmen sein Marktverhalten nicht selbständig bestimme, sondern vor allem wegen der wirtschaftlichen und rechtlichen Bindungen zwischen ihm und dem letztgenannten Unternehmen im Wesentlichen dessen Weisungen befolgt habe.
Die Entscheidung der Kommission sei jedoch insoweit nicht begründet und enthalte sogar einen Widerspruch.
Durch die Bestätigung des Standpunkts der Kommission habe das Gericht somit Rechtsfehler begangen. Das angefochtene Urteil sei aufzuheben, soweit das Gericht die Nichtigkeitsklage gegen die Entscheidung der Kommission hinsichtlich der Heranziehung der Siderúrgica Aristrain Madrid SL zur Zahlung einer Geldbuße, die auch dem Verhalten der Siderúrgica Aristrain Olaberría SL Rechnung trage, für unbegründet erklärt habe. Die Entscheidung der Kommission sei hinsichtlich des Teils der Geldbuße für nichtig zu erklären, der anhand des Umsatzes der letztgenannten Gesellschaft berechnet, dessen Zahlung aber von der erstgenannten Gesellschaft verlangt worden sei. Da der Gerichtshof nicht über die dafür erforderlichen Buchführungsunterlagen verfügt, verweist er die Rechtssache an das Gericht zurück, damit es den Anteil der Geldbuße ermittelt, der der Siderúrgica Aristrain Madrid SL auferlegt bleiben kann.

NR. dER RECHTSSACHe  
NAmE der rechtsmittel-führerin   Land   von der Kommission verhängte geldbusse (ECU)   vom gericht erster instanz festgesetzte geldbusse (Euro)   rechtsmittel-entscheidung des gerichtshofes  
C-176/99 P
gegen Urteil
T-137/94  
ARBED SA  
L   11 200 000   10 000 000   Aufhebung des Urteils des Gerichts
Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission  
C-179/99 P
gegen Urteil
T-136/94  
Eurofer ASBL  
––   ––   ––   Rechtsmittel zurückgewiesen  
C-182/99 P
gegen Urteil
T-148/94  
Salzgitter AG, vormals Preussag Stahl AG  
D   9 500 000   8 600 000   Rechtsmittel zurückgewiesen  
C-194/99 P
gegen Urteil
T-141/94  
Thyssen Stahl AG  
D   6 500 000   4 400 000   Rechtsmittel zurückgewiesen  
C-195/99 P
gegen Urteil
T-147/94  
Krupp Hoesch Stahl AG  
D   13 000   9 000   Rechtsmittel zurückgewiesen  
C-196/99 P
gegen Urteil
T-156/94  
Siderúrgica Aristrain Madrid SL  
E   10 600 000   7 100 000   teilweise Aufhebung des Urteils des Gerichts  
C-198/99 P
gegen Urteil
T-151/94  
Empresa Nacional Siderúrgica SA (Ensidesa)  
E   4 000 000   3 350 000   Rechtsmittel zurückgewiesen  
C-199/99 P
gegen Urteil
T-151/94  
Corus UK Ltd, vormals British Steel plc  
GB   32 000 000   20 000 000   Rechtsmittel zurückgewiesen  




Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.

Dieses Dokument ist in folgenden Sprachen verfügbar: EN, DE, FR, ES.

Den vollständigen Wortlaut der Urteile finden Sie heute ab ca. 12.00 Uhr MESZ auf unserer Homepage (www.curia.eu.int ).

Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou,
Tel.: (00352) 4303 3255 Fax: (00352) 4303 2734.
 

vgl. Pressemitteilung Nr. 14/99