Abteilung Presse und Information
PRESSEMITTEILUNG NR. 84/03
Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes im Verfahren der einstweiligen Anordnung in der Rechtssache
C-320/03 R
Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Republik Österreich
Am 24. Juli 2003 erhob die Kommission beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Klage
auf Feststellung, dass Österreich durch dieses sektorale Fahrverbot gegen die Grundsätze des freien
Waren- und Dienstleistungsverkehrs im Bereich des Straßentransports innerhalb der Gemeinschaft verstoßen hat.
Einen Tag später ersuchte die Kommission den Präsidenten des Gerichtshofes, Österreich unverzüglich zu
verpflichten, die Verordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen.
Am 30. Juli 2003 ordnete der Präsident des Gerichtshofes (vorsorglich) an, dass Österreich
das Fahrverbot bis zum Erlass des Beschlusses aussetzt, der das Verfahren der einstweiligen
Anordnung abschließt.
Nach der Anhörung Österreichs sowie der Kommission, die mittlerweile von Deutschland und Italien
unterstützt wird, am 27. August 2003 erlässt der Präsident des Gerichtshofes heute den
zweiten Beschluss im Verfahren der einstweiligen Anordnung.
Auf den ersten Blick scheine die österreichische Verordnung den im EG-Vertrag und im
abgeleiteten Recht vorgesehenen freien Wirtschaftsverkehr zu beschränken, und es lasse sich nicht ausschließen,
dass diese Beschränkung indirekt diskriminierend sein könnte. Die Verordnung gelte für alle Transportunternehmen
unabhängig von ihrer Staatszugehörigkeit und treffe somit auch österreichische Unternehmen. Aufgrund der von
ihr erfassten Beförderungsart sowie des Umfangs der vorgesehenen Ausnahmen sei es jedoch möglich,
dass sie de facto zu einer stärkeren Benachteiligung der Transportunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten
führe, für die es keine Rechtfertigung gebe.
Eine erste Prüfung des Vorliegens einer Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch Österreich ergebe zum
einen, dass die Verordnung erlassen worden sei, um den Verpflichtungen aufgrund der Gemeinschaftsrichtlinien
im Bereich der Luftqualität nachzukommen. Grundsätzlich hätten Erfordernisse des Umwelt- und/oder Gesundheitsschutzes Vorrang
vor wirtschaftlichen Erwägungen.
Zum anderen könne die kurze Frist zwischen dem Erlass und dem Inkrafttreten der
Verordnung ihre negativen Auswirkungen auf die Tätigkeit und die Planung der betroffenen Straßentransportunternehmen
erheblich verstärken. Ein Zeitraum von zwei Monaten erscheine sehr kurz, um strukturelle Anpassungen
(wie z. B. eine Steigerung des Bahntransportangebots auf der fraglichen Strecke) vorzunehmen, die
nur mittelfristig und allmählich erfolgen könnten. Zudem verlangten Maßnahmen, die sich unmittelbar auf
den Gütertransport zwischen Mitgliedstaaten auswirkten, ein gewisses Maß an vorheriger Abstimmung auf Gemeinschaftsebene,
das im vorliegenden Fall offenbar gefehlt habe. Eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch Österreich
könne daher nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
Die gegenwärtige Situation im Bereich der Luftverschmutzung im betreffenden Gebiet sei das Ergebnis
einer graduellen Entwicklung und scheine bei erster Analyse nur mittelfristig und allmählich zufrieden
stellend bewältigt werden zu können
Es dürften strukturelle Maßnahmen erforderlich sein, wobei alle am vorliegenden Verfahren Beteiligten gehalten
seien, ihren Beitrag zur Suche der geeignetsten Lösungen zu leisten, die zwangsläufig einen
Kompromiss zwischen widerstreitenden Interessen darstellen würden, ohne dass von vornherein ausgeschlossen werden könne,
dass sie gewisse Nachteile sowohl für das Funktionieren des Binnenmarktes als auch für
die Interessen bestimmter Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern mit sich brächten.
Unter diesen Umständen sei zwar anzuerkennen, dass die fragliche Verordnung zur kurzfristigen Verbesserung
der Situation im Bereich der Luftqualität in dem betreffenden Gebiet beitragen könne, doch
würde eine mittelfristige strukturelle Vorgehensweise die unabdingbar sei durch die vorübergehende Nichtanwendung der
Verordnung nicht gefährdet.
Dagegen bestehe eine erhebliche Gefahr, dass es zum endgültigen Verschwinden zahlreicher Unternehmen vom
Markt sowie zu einer strukturellen und unumkehrbaren Veränderung der Transportbedingungen und der Warenströme
in dem betreffenden Gebiet und durch dieses Gebiet hindurch komme.
Aufgrund dieser Gefahr eines schwer wieder gutzumachenden Schadens verlängert der Präsident die Anordnung
an Österreich, das sektorale Fahrverbot auszusetzen, bis zum 30. April 2004.
Angesichts des Vorliegens und der Bedeutung der Probleme im Bereich der Luftqualität in
dem betreffenden Gebiet werden die Verfahrensbeteiligten jedoch aufgefordert, sich auf Maßnahmen zu verständigen,
die geeignet sind, die widerstreitenden Interessen, und sei es auch nur vorläufig, miteinander
in Einklang zu bringen, und dem Gerichtshof jeden etwaigen Kompromiss mitzuteilen.
Andernfalls werden die Verfahrensbeteiligten aufgefordert, dem Gerichtshof bis spätestens 6. Februar 2004 Informationen über
die Entwicklung der Luftqualität in dem betreffenden Gebiet, über die geschätzten Auswirkungen des
Nachtfahrverbots im Jahr 2003 sowie über die Perspektiven bei der Entwicklung des Transports
per Bahn oder des Transports über andere Routen vorzulegen.
Auf der Grundlage dieser neuen Informationen und Stellungnahmen kann die durch den heutigen
Beschluss getroffene Anordnung verlängert, aufgehoben oder geändert werden.
Hinweis: Dieser Beschluss nimmt die Entscheidung, die der Gerichtshof in der Hauptsache treffen
wird, in keiner Weise vorweg. Der Gerichtshof wird sein Urteil später verkünden.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument ist in folgenden Sprachen verfügbar: DE, EN, FR, IT. Den vollständigen Wortlaut des Beschlusses finden Sie heute ab ca. 12.00 Uhr MESZ auf unserer Homepage (www.curia.eu.int ). Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou, Tel.: (00352) 4303 3255 Fax: (00352) 4303 2734 |
Bei den betroffenen Gütern handelt es sich um die im Europäischen Abfallverzeichnis
aufgenommenen Abfälle, Getreide, Rundholz und Kork, Nichteisen- und Eisenerze, Steine, Erden, Aushub, Kraftfahrzeuge
und Anhänger sowie Baustahl.