Abteilung Presse und Information
PRESSEMITTEILUNG N1 99/03
13. November 2003
Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-313/01
Christine Morgenbesser/Consiglio dell' Ordine degli Avvocati di Genova
DIE ITALIENISCHEN BEHÖRDEN DÜRFEN DEM INHABER EINER IN EINEM ANDEREN MITGLIEDSTAAT ERWORBENEN "MAÎTRISE
EN DROIT" DIE EINTRAGUNG IN DAS REGISTER DER "PRATICANTI" NICHT VERWEIGERN
Der Aufnahmemitgliedstaat muss die Diplome unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsordnungen
vergleichen und vom Betroffenen eventuell den Nachweis verlangen, dass er die fehlenden Kenntnisse
erworben hat
Ihr Antrag wurde vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer Genua sowie vom Consiglio Nazionale Forense
abgelehnt, weil das italienische Gesetz über den Beruf des avvocato (Rechtsanwalt) den Besitz
eines von einer italienischen Universität verliehenen oder bestätigten Diploms der Rechtswissenschaft vorsieht und
sie nicht berechtigt war, in Frankreich den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben.
Die Corte suprema di cassazione hat den Gerichtshof daher gefragt, ob es nach
Gemeinschaftsrecht zulässig ist, dass die italienischen Behörden dem Inhaber eines in einem anderen
Mitgliedstaat erworbenen Diploms der Rechtswissenschaft die Eintragung nur deshalb verweigern dürfen, weil dieses
Diplom nicht in Italien ausgestellt wurde.
Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass weder die Richtlinie 98/5 über die
ständige Ausübung des Rechtsanwaltsberufs noch die Richtlinie 89/48 über die Anerkennung der Hochschuldiplome,
die eine mindestens dreijährige Ausbildung für reglementierte Berufe abschließen, auf die Situation von
Frau Morgenbesser Anwendung findet, da die erstgenannte Richtlinie nur die voll qualifizierten Rechtsanwälte
betrifft und die Tätigkeit eines `praticanteA Ԁ die zeitlich begrenzt ist und den praktischen
Teil der für die Zulassung zum Beruf des Rechtsanwalts erforderlichen Ausbildung darstellt Ԁ nicht
als reglementierter Beruf im Sinne der Richtlinie 89/48, der sich vom Beruf des
Rechtsanwalts trennen ließe, eingestuft werden kann.
Da die Zeit der praktischen Ausbildung Ԁ im Hinblick auf die Aufnahme eines reglementierten
Berufes Ԁ die Ausübung von Tätigkeiten umfasst, die (von den Mandanten oder von der
Rechtsanwaltskanzlei in Form von Honoraren bzw. eines Gehalts) vergütet werden, sind die im
Vertrag verankerten Grundsätze über die Niederlassungsfreiheit oder über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer anwendbar.
Der Gerichtshof erinnert daher an die in seiner eigenen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze: Wenn
nach den nationalen Vorschriften die von dem Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats außerhalb des
Aufnahmestaats bereits erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten unberücksichtigt bleiben, sind die Ausübung des Niederlassungsrechts
und die Inanspruchnahme der Freizügigkeit beeinträchtigt.
Das Diplom der Betroffenen muss im Rahmen einer Gesamtbeurteilung der akademischen und beruflichen
Ausbildung berücksichtigt werden. Die italienische Behörde hat daher zu prüfen, ob und inwieweit
die durch das Diplom bescheinigten Kenntnisse und die in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen
Fähigkeiten oder gewonnene Berufserfahrung zusammen mit der in Italien gewonnenen Erfahrung die für
die Aufnahme der Tätigkeit eines `praticanteA erforderlichen Voraussetzungen Ԁ und sei es auch teilweise
Ԁ erfüllen können.
Im Falle des Anwaltsberufs muss ein Mitgliedstaat eine vergleichende Prüfung der Diplome unter
Berücksichtigung der festgestellten Unterschiede zwischen den betroffenen nationalen Rechtsordnungen vornehmen. Ergibt der Vergleich,
dass diese einander nur teilweise entsprechen, so kann der Aufnahmestaat von dem Betroffenen
den Nachweis verlangen, dass er die fehlenden Kenntnisse erworben hat. Die zuständigen Behörden
des Aufnahmestaats müssen daher beurteilen, ob die in diesem Staat erworbenen Kenntnisse und
gewonnene Erfahrung für den Nachweis des Erwerbs der fehlenden Kenntnisse ausreichen.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument ist in folgenden Amtssprachen verfügbar: DA, DE, EN, FR, IT. Den vollständigen Wortlaut des Urteils finden Sie heute ab ca. 12.00 Uhr MEZ auf unserer Homepage (www.curia.eu.int ). Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Isabelle Phalippou, Tel: (00352) 4303 3255, Fax: (00352) 4303 2734. |
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Regio Decreto Legge Nr. 1578 von 1993.