Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG N° 14/04

11. März 2004

Urteil des Gerichtshofes in dem Vorabentscheidungsverfahren C-182/01

Saatgut-Treuhandverwaltungsgesellschaft mbH / Werner Jäger

INHABER DES GEMEINSCHAFTLICHEN SORTENSCHUTZES SIND FREI IN DER WAHL IHRER RECHTSFORM

Daher kann eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Rechte der Mitglieder von anderen Sortenschutzinhaber-Organisationen geltend machen, wenn diese Organisationen Mitglieder dieser Gesellschaft sind


Mit der Verordnung Nr. 2100/94 wurde ein gemeinschaftlicher gewerblicher Rechtsschutz für Pflanzensorten (Sortenschutz) geschaffen. Das Recht auf den gemeinsamen Sortenschutz steht demjenigen zu, der die Sorte hervorgebracht oder entdeckt und entwickelt hat. Die Verordnung enthält eine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz des Schutzes der Rechte der Sortenschutzinhaber, nämlich das so genannte „Landwirteprivileg“. Danach dürfen Landwirte in ihrem eigenen Betrieb das aus dem Anbau einer geschützten Sorte gewonnene Ernteerzeugnis weiter verwenden, ohne hierfür die Zustimmung des Sortenschutzinhabers einzuholen. Diese Ausnahme wurde zur Sicherung der landwirtschaftlichen Erzeugung festgelegt, die im allgemeinen Interesse liegt.

Die näheren Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Ausnahmeregelung wurden durch eine Verordnung aus dem Jahr 1995 festgelegt. Nach dieser Verordnung haben die Landwirte (außer Kleinlandwirten), die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, dem Sortenschutzinhaber eine begrenzte Entschädigung zu zahlen. Nach dieser Verordnung ist der Landwirt außerdem gegenüber dem Sortenschutzinhaber zur Erteilung bestimmter Auskünfte verpflichtet. Die Sortenschutzinhaber können ihre Rechte nach der Verordnung einzeln, gemeinsam oder durch eine Vereinigung von Sortenschutzinhabern geltend machen.

Herr Jäger, ein deutscher Landwirt, lehnte es ab, der Saatgut-Treuhandverwaltungsgesellschaft mbH Auskunft darüber zu geben, ob und inwieweit er das Landwirteprivileg im Wirtschaftsjahr 1997/1998 in Anspruch genommen hatte.

Das Landgericht Düsseldorf wies die von der Saatgut-Treuhandverwaltungsgesellschaft erhobene Klage mit der Begründung ab, dass diese keine Prozessführungsbefugnis habe. Das daraufhin angerufene Oberlandesgericht Düsseldorf legte dem Gerichtshof die Frage vor, ob eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine Vereinigung von Sortenschutzinhabern sein kann und ob der Inhaber des gemeinschaftlichen Sortenschutzes von jedem beliebigen Landwirt Auskünfte unabhängig davon einfordern darf, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass das Landwirteprivileg tatsächlich in Anspruch genommen wurde.

Der Gerichtshof weist in seinem Urteil zunächst darauf hin, dass der Begriff der „Vereinigung von Sortenschutzinhabern“ in der genannten Verordnung von 1995 nicht definiert wird. Er hebt hervor, dass es die Verordnung den Sortenschutzinhabern überlässt, die Rechtsform einer solchen Vereinigung zu wählen, die daher sowohl die Form eines Vereins als auch die einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung haben kann.
Da die Wahl der Rechtsform dieser Vereinigung somit den Sortenschutzinhabern überlassen bleibt, muss gleiches für die Mitglieder einer solchen Vereinigung gelten. Daher können die Mitglieder einer solchen Organisation von Sortenschutzinhabern sowohl natürliche Personen als auch andere Organisationen sein, denen ihrerseits Sortenschutzinhaber angehören. Jedoch kann ein Sortenschutzinhaber, der keiner Vereinigung von Sortenschutzinhabern (also weder als unmittelbares noch als mittelbares Mitglied) angehört, eine solche Vereinigung nicht mit der Wahrnehmung seiner Interessen gegen Entgelt beauftragen.

Schließlich stellt der Gerichtshof im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass die beiden genannten Verordnungen dem Sortenschutzinhaber keine Befugnis geben, von einem Landwirt auch dann, wenn keinerlei Anhaltspunkte für dessen Inanspruchnahme des Landwirteprivilegs vorliegen, Auskunft darüber zu verlangen, ob er dieses Privileg genutzt hat.


Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.

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Den vollständigen Wortlaut des Urteils finden Sie heute ab ca. 12.00 Uhr MEZ auf unserer Homepage (www.curia.eu.int ).

Mit Fragen wenden Sie sich bitte an Isabelle Phalippou
Tel: (00352) 4303 3255, Fax: (00352) 4303 2734. 

 

    Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. L 227, S. 1).
    Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission vom 24. Juli 1995 über die Ausnahmeregelung gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2100/94 (ABl. L 173, S. 14).
    Urteil des Gerichtshofes vom 10. April 2003 in der Rechtssache C-305/00 (Schulin/Saatgut-Treuhandverwaltungsgesellschaft mbH, Slg. 2003, I3525) (vgl. Pressemitteilung Nr. 32/03).