Abteilung Presse und Information
PRESSEMITTEILUNG N° 25/04
25. März 2004
Urteil des Gerichtshofes in den Rechtssachen C-231/00 u. a.
Cooperativa Lattepiù u. a./AIMA und Ministero delle Politiche Agricole e Forestali
EIN MITGLIEDSTAAT DARF DIE EINZELBETRIEBLICHEN REFERENZMENGEN NACH ABLAUF DER ZAHLUNGSFRIST FÜR DAS MILCHWIRTSCHAFTSJAHR
BERICHTIGEN UND DIE GESCHULDETEN ZUSATZABGABEN NEU BERECHNEN
Damit das Ziel der Rationalisierung der Milcherzeugung erreicht wird, müssen die Erzeuger, die
von den Vorteilen des Richtpreises profitieren, die Einschränkungen hinnehmen, durch die das System
beibehalten werden kann
Das Tribunale Amministrativo Regionale del Lazio hat sich daraufhin an den Gerichtshof gewandt,
um prüfen zu lassen, inwieweit ein Mitgliedstaat berechtigt ist, im Anschluss an Kontrollen
die den einzelnen Erzeugern zugeteilten einzelbetrieblichen Referenzmengen zu berichtigen und dementsprechend die geschuldeten
Zusatzabgaben nach Ablauf der Frist für deren Zahlung neu zu berechnen.
Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass die Verordnung über die Zusatzabgabe und
die Verordnung mit Durchführungsbestimmungen zu dieser Regelung weder die nachträgliche Berichtigung der einzelbetrieblichen
Referenzmengen noch die Berichtigung der von den Erzeugern geschuldeten Zusatzabgaben vorsehen.
Soweit es keine gemeinsamen Durchführungsvorschriften auf Gemeinschaftsebene gibt, ist es jedoch Sache der
einzelnen Mitgliedstaaten, in ihrem Hoheitsgebiet für die Durchführung der Gemeinschaftsregelungen zu sorgen, und
zwar nach den Bestimmungen ihres nationalen Rechts, wobei sie aber die allgemeinen Grundsätze
des Gemeinschaftsrechts, insbesondere die der Verhältnismäßigkeit, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, zu beachten
haben.
Sind die italienischen Maßnahmen zur nachträglichen Berichtigung von Referenzmengen und Zusatzabgaben mit der
Gemeinschaftsregelung vereinbar?
Der Gerichtshof stellt zunächst aufgrund einer Analyse von Wortlaut und Zweck der einschlägigen
Vorschriften fest, dass diese den fraglichen Maßnahmen nicht entgegenstehen. Er weist insoweit darauf
hin,
dass keine Bestimmung der Gemeinschaftsregelung es den nationalen Behörden ausdrücklich untersagt, derartige Maßnahmen
zu treffen;
dass die Gemeinschaftsregelung nicht bezweckt hat, die Referenzmengen für die gesamte Dauer der
Verlängerung der Zusatzabgabenregelung endgültig festzulegen;
dass solche Berichtigungen darauf abzielen, dass die von der Zusatzabgabe befreite Produktion eines
Mitgliedstaats die ihm zugeteilte Gesamtgarantiemenge nicht überschreitet, und das wirksame Funktionieren der Regelung
gewährleisten sollen;
dass die Verordnung mit den Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe vorsieht, dass die Mitgliedstaaten über
angemessene Kontrollmittel verfügen müssen, um prüfen zu können, ob die Abgabe vorschriftsgemäß erhoben
worden ist, was impliziert, dass diese Kontrollmittel möglicherweise zu einer Berichtigung der Referenzmengen
und zu einer Neuberechnung der Abgabe führen.
Außerdem weist der Gerichtshof darauf hin, dass diese Auslegung der Gemeinschaftsvorschriften auch in
Einklang steht mit den Hauptzielen der Zusatzabgabenregelung, die darin bestehen, die Milcherzeugung zu
rationalisieren, um das Einkommen der landwirtschaftlichen Bevölkerung zu stabilisieren und für sie eine
angemessene Lebenshaltung aufrechtzuerhalten. Diese Ziele wären nämlich gefährdet, wenn infolge einer unzutreffenden Feststellung
der Referenzmengen die Milchproduktion in einem Mitgliedstaat die diesem zugeteilte Gesamtgarantiemenge überschreiten würde.
Mit anderen Worten, die Solidarität, auf der die Zusatzabgabenregelung beruht, wäre gestört, wenn
die Erzeuger von den Vorteilen des Richtpreises für Milch profitieren könnten, ohne insoweit
die Einschränkungen hinnehmen zu müssen, durch die dieser Preis beibehalten werden kann.
Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass die italienischen Maßnahmen, mit denen die Referenzmengen
und die Zusatzabgaben nachträglich berichtigt werden, geeignet sind, das angestrebte Ziel zu erreichen,
ohne dass sie unverhältnismäßig sind.
Die Zusatzabgabe stellt nämlich ein markt- oder strukturpolitisches Instrument dar und ist keine
Sanktion. Außerdem stellt der Gerichtshof in Anbetracht der zahlreichen und schweren Fehler, die
die ursprünglich zugeteilten Referenzmengen enthielten, fest, dass diese Maßnahmen nicht über das hinausgehen,
was zur Erreichung ihres Zieles erforderlich ist.
Schließlich können die Erzeuger kein berechtigtes Vertrauen in die Beibehaltung einer falschen Referenzmenge
geltend machen: Auch wenn die Klägerinnen erst 1999 Kenntnis von der ihnen zugeteilten
Referenzmenge erlangen konnten, entsprach diese Menge doch für jeden Erzeuger derjenigen Milchmenge, die
er im Referenzjahr vermarktet hatte; außerdem kann es kein berechtigtes Vertrauen in den
Fortbestand einer offenkundig gemeinschaftsrechtswidrigen Lage geben, und die Milcherzeuger der Mitgliedstaaten können elf
Jahre nach der Einführung dieser Regelung nicht erwarten, dass sie weiter unbeschränkt Milch
produzieren können.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument ist in folgenden Sprachen verfügbar: FR, EN, DE und IT Den vollständigen Wortlaut des Urteils finden Sie heute ab ca. 12.00 Uhr MEZ auf unserer Homepage (www.curia.eu.int ). Mit Fragen wenden Sie sich bitte an Isabelle Phalippou, Tel: (00352) 4303 3255, Fax: (00352) 4303 2734. |
Verordnung Nr. 3950/92 des Rates
Verordnung Nr. 563/93 der Kommission