Abteilung Presse und Information
PRESSEMITTEILUNG N° 33/04
29. April 2004
Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-476/01
Felix Kapper
EIN MITGLIEDSTAAT DARF EINEM VON EINEM ANDEREN MITGLIEDSTAAT AUSGESTELLTEN FÜHRERSCHEIN DIE ANERKENNUNG NICHT
DESHALB VERSAGEN, WEIL NACH DEN IHM VORLIEGENDEN INFORMATIONEN DER FÜHRERSCHEININHABER ZUM ZEITPUNKT DER
AUSSTELLUNG DES FÜHRERSCHEINS SEINEN ORDENTLICHEN WOHNSITZ NICHT IM HOHEITSGEBIET DES MITGLIEDSTAATS HATTE, DER
DEN FÜHRERSCHEIN AUSGESTELLT HAT
Ein Mitgliedstaat darf die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins, der später von einem
anderen Mitgliedstaat ausgestellt worden ist, nicht weiterhin ablehnen, wenn die frühere Fahrerlaubnis des
Führerscheininhabers im erstgenannten Mitgliedstaat entzogen oder aufgehoben wurde, die Sperrfrist für die Neuerteilung
der Fahrerlaubnis in diesem Mitgliedstaat aber bereits abgelaufen ist.
Im Rahmen des von Herrn Kapper eingeleiteten Einspruchsverfahrens möchte das Amtsgericht vom Gerichtshof
wissen, ob die Richtlinie über den Führerschein der Anwendung der nationalen Vorschriften entgegensteht,
wonach dem in den Niederlanden ausgestellten Führerschein die Wirksamkeit in Deutschland abgesprochen wird.
Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass nach seiner Rechtsprechung diese Richtlinie die
gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität vorsieht. Da
sie dem Ausstellungsmitgliedstaat eine ausschließliche
Zuständigkeit verleiht, sich zu vergewissern, dass die Führerscheine unter Beachtung der in der
Richtlinie vorgesehenen Wohnsitzvoraussetzung ausgestellt werden, ist es allein Sache dieses Mitgliedstaats, geeignete Maßnahmen
in Bezug auf diejenigen Führerscheine zu ergreifen, bei denen sich nachträglich herausstellt, dass
ihre Inhaber diese Voraussetzung nicht erfüllt haben.
Hat ein Aufnahmemitgliedstaat ernsthafte Gründe, die Ordnungsmäßigkeit eines oder mehrerer von einem anderen
Mitgliedstaat ausgestellter Führerscheine zu bezweifeln, so hat er dies dem anderen Mitgliedstaat im
Rahmen der gegenseitigen Unterstützung und des Informationsaustauschs nach der Richtlinie mitzuteilen.
Der Gerichtshof stellt daher fest, dass der in der Richtlinie vorgesehene Grundsatz der
gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine es einem Mitgliedstaat (A) verbietet, die Anerkennung eines von
einem anderen Mitgliedstaat (B) ausgestellten Führerscheins mit der Begründung zu verweigern, dass der
Inhaber des Führerscheins nach den Informationen, über die der erstgenannte Staat (A) verfügt,
zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Staates
(A) und nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellungsstaats (B) gehabt habe.
Sodann stellt der Gerichtshof klar, dass für Herrn Kapper, als er am 11.
August 1999 den niederländischen Führerschein erhielt, keine Sperre mehr für die Beantragung einer
Neuerteilung der Fahrerlaubnis bei den zuständigen deutschen Behörden mehr bestand.
Die Richtlinie erlaubt es einem Mitgliedstaat (A), die Gültigkeit eines von einem anderen
Mitgliedstaat (B) ausgestellten Führerscheins dann nicht anzuerkennen, wenn auf dessen Inhaber im Hoheitsgebiet
des erstgenannten Staates (A) eine Maßnahme der Einschränkung, der Aussetzung, des Entzugs oder
der Aufhebung der Fahrerlaubnis angewendet wurde. Diese Ausnahme ist ihrem Wesen nach eng
auszulegen, und ein Mitgliedstaat kann sich nicht auf sie berufen, um einer Person,
auf die in seinem Hoheitsgebiet eine Maßnahme des Entzugs oder der Aufhebung einer
früher von ihm erteilten Fahrerlaubnis angewendet wurde, auf unbestimmte Zeit die Anerkennung der
Gültigkeit eines Führerscheins zu versagen, der ihr möglicherweise später von einem anderen Mitgliedstaat
ausgestellt wird.
Ist nämlich die Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats
bereits abgelaufen, so verbietet es die Richtlinie diesem Mitgliedstaat, weiterhin die Anerkennung der
Gültigkeit eines Führerscheins, der dem Betroffenen später von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt worden
ist, abzulehnen. Es wäre die Negation des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine
selbst, der den Schlussstein des mit der Richtlinie eingeführten Systems darstellt, wenn man
einen Mitgliedstaat für berechtigt hielte, die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten
Führerscheins unter Berufung auf seine nationalen Vorschriften unbegrenzt zu verweigern.
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Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (ABl.
L 237, S. 1).